Über Nacht in der Hölle
«Dann kamen die Taliban an die Macht und alles änderte sich. Keine Bildung mehr für Frauen und Hausarrest. Im Versteckten habe ich jedoch weiter Infusionen gelegt und Spritzen gegeben – zuhause und auswärts. Eines Abends wurden mein Vater und ich auf dem Rückweg von einem dieser ‹illegalen› Einsätze erwischt. Einer der Taliban hielt mir seine Waffe an die Stirn, der andere bedrohte meinen Vater. Mein Vater flehte in ihrer Sprache (Paschtu), die er im Militär gelernt hatte, um unser Leben. Wir hatten unglaubliches Glück. Doch ab diesem Zeitpunkt war es vorbei mit Spritzen geben und Infusionen legen.
Die Flucht
Nach über zehn Jahren in dieser Hölle flohen mein Mann und ich mit unserem damals fünfjährigen Kind aus Afghanistan. Unser Ziel war Schweden. Wir mussten das Kind auf unseren Schultern tragen, zehn Stunden marschieren und manchmal auch rennen. Waren wir am Ende unserer Kräfte, wurden wir unter Waffengewalt und Todesdrohungen zum Weitergehen gezwungen.
Wir waren ungefähr zwei Monate unterwegs, meistens zu Fuss. Davon wurden wir etwa zehn Tage als Geiseln gehalten. Da die Bezahlung nicht erfolgt war, wollte sich der Schlepper mit unseren Leben rächen. Mit dem Boot gelangten wir nach Italien. Von dort reisten wir mit dem Zug weiter. Der Schlepper hatte uns für viel Geld gefälschte Ausweise besorgt. Nach kurzer Zeit im Zug folgte eine Zollkontrolle. Wir wurden erwischt und mussten aussteigen. Wir zitterten und weinten.»
Judith Nünlist
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Myriam
Danke für diesen Bericht. Einmal mehr ging mir auch dieser Bericht zu Herzen, da hatte ich Tränen in den Augen.
Ich bin dankbar, dass ich monatlich meinen kleinen Beitrag der Heilsarmee schenken darf. Ihr macht grossartige, wichtige Arbeit der Menschlichkeit und führt die Menschen in für sie machbaren Schritten in eine gute Zukunft.
Gino Brenni, Heilsarmee Autor
Vielen Dank für ihren herzlichen Kommentar und besonders für Ihre sehr geschätzte Unterstützung!
Peter Madörin
Nafissa und ihre Familie gehören nicht in die Schweiz, sondern nach Afghanistan, wo sie hergekommen sind. Es ist ein Irrläufer unserer Migrationspolitik, dass afghanischen Frauen und Mädchen hier Anspruch auf Schutz geniessen. Jedes Land hat die Regierung, die es verdient. Es ist billig, einfach abzuhauen und sich im Ausland mit Hilfe der Sozialindustrie und des Steuerzahlers eine bequeme Existenz aufzubauen. Ich habe mit solchen Menschen kein Mitleid. Wenn Afghanistan das Taliban Regime ablehnt, muss es sich durch eine Revolution davon befreien. Es gibt noch über 20 Millionen weitere Afghaninnen unter der Burka, von denen die meisten wohl auch in den Westen kommen wollen. Wohin führt das?
Gino Brenni, Heilsarmee Autor
Lieber Herr Madörin,
Danke für Ihren Kommentar. Das Beispiel von Nafissa verdeutlicht, dass es Push-Faktoren in Afghanistan gibt, die gem. der Genfer Flüchtlingskonvention einen Schutz in einem Drittstaat wie der Schweiz ermöglichen. Ihre Geschichte zeigt sehr gut auf, wie sie sich und ihrer Familie mit eigener Kraft, ihrem Willen und ihrem Fleiss ein selbständiges, unabhängig finanziertes Leben in der Schweiz ermöglicht hat. Von einer bequemen Existenz kann hier absolut keine Rede sein, das war ein hartes Stück Arbeit und Integrationswille, wie die wahre Geschichte belegt. Natürlich löst man durch Integration in der Schweiz nicht das Problem in Afghanistan. Das ist aber eine andere, geo- und machtpolitische Thematik. Schade, dass Sie die Erfolgsgeschichte der Integration von Nafissa und ihrer Familie nicht anerkennen.
Paul Erzinger
Der Bericht von Judith Nünlist berührt
einen sehr. Es ist wunderbar, dass
Flüchtlinge in der Schweiz eine zweite
Heimat finden können. Sie bereichern
auch uns mit ihrer Dankbarkeit und
Herzlichkeit. Gerne lege ich beim
Adventssingen der Heilarmee eine
Note in den Spendentopf – wie jedes
Jahr. Weiter so!