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An einem Freitag wie heute wird das besonders deutlich: Die Lebensmittelabgaben für Familien am Nachmittag und für Menschen am Rande der Gesellschaft am Abend stehen auf dem Programm. «Die Familien erhalten Lebensmittel zum Kochen für eine Woche. Für die Randständigen verteilen wir am Abend Sandwiches aus den Bäckereien. Denn sie leben oft auf der Strasse und haben keine Küche», erklärt Rudolf Odermatt, der von allen Ruedi genannt wird.
Während mir Ruedi den Tagesablauf erklärt, treffen die ersten Helferinnen und Helfer ein. Es herrscht eine geschäftige Stimmung – alle sind bereit anzupacken. Doch etwas Entscheidendes fehlt noch: «Der Lieferwagen mit den Lebensmitteln sollte eigentlich längst hier sein.» Das sei aber kein Grund zur Sorge: «Ab und zu wird es etwas später, wegen dem Verkehr.»
Hilfe für Menschen aller Couleur
Verwenden statt verschwenden
Mittlerweile ist es halb vier, kurz vor dem geplanten Start der Lebensmittelabgabe für Familien. Von der Lieferung fehlt noch immer jede Spur. Jetzt wird Ruedi doch etwas nervös: «So lange dauert es normalerweise nicht.» Immer mehr Menschen versammeln sich mit ihren Einkaufstüten vor dem Eingang. Ruedi grüsst die meisten mit Namen und erklärt, dass sie noch ein wenig Geduld haben müssen.
Wenige Augenblicke später ist es endlich so weit: Der sehnlich erwartete Transporter mit dem Logo der Schweizer Tafel biegt um die Ecke. Diese Organisation sammelt täglich überschüssige Waren von Schweizer Lebensmittelhändlern und verteilt sie an soziale Einrichtungen. Im Laderaum liegen Kisten voller Lebensmittel, die sonst im Abfall landen würden.
Starke Helferinnen und Helfer
Wo vorher noch Kaffee getrunken und geplaudert wurde, herrscht jetzt rege Betriebsamkeit. Vom Helferteam werden kistenweise Salate, Trauben, Fleischpackungen und Brote in den Saal gebracht, fein säuberlich sortiert und wie in einem Laden ausgelegt. Man merkt schnell, dass ein eingespieltes Team am Werk ist. Von der Verspätung lässt sich hier niemand so schnell aus der Ruhe bringen.
Kurz nach vier ist alles vorbereitet. Die ersten Wartenden werden eingelassen. Die Reihenfolge ist zuvor per Los ermittelt worden. Sie dürfen sich ihre Lebensmittel aussuchen, nur die Menge ist begrenzt. Je grösser die Familie, desto mehr bekommen sie. Das Angebot sieht jede Woche etwas anders aus. Heute gibt es reichlich Gemüse, dafür fehlen Eier und viele Milchprodukte. Das Helferteam achtet penibel darauf, dass alles gerecht verteilt wird. Doch die Stimmung ist fröhlich. Es wird gescherzt, gelacht, geredet und erklärt: mal, wie man einen Granatapfel rüstet – mal, was der Unterschied zwischen einem Rettich und einem Rüebli ist. So sieht man an diesem Nachmittag an der St. Galler Harfenbergstrasse viele glückliche Gesichter.
Notleidende finden bei der Heilsarmee St. Gallen auch geduldige Zuhörer: Ihre Mitarbeitenden führen Beratungsgespräche und haben ein offenes Ohr für die Sorgen Bedürftiger. Dabei geht es oft um Einsamkeit, Suchtprobleme oder eine finanzielle Schieflage. Dank vieler Kontakte in der Region können betroffene Personen bei Bedarf der passenden Organisation vermittelt werden. Und für dringende Fälle steht vor Ort ein Notschlafzimmer zur Verfügung. Zudem ist auf den Strassen und Gassen St. Gallens regelmässig ein Streetworker der Heilsarmee unterwegs.
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Dave Naithani
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