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Wenn der Chef Kunden empfängt
Da die Auftragslage durch die Corona-Epidemie fast zum Erliegen gekommen ist, musste Corporess Kurzarbeit anmelden und es drohen Entlassungen. Im Gespräch gibt Pino Vastano, Gründer und CEO, Auskunft.
Frage: Wie sieht die Lage von Corporess momentan aus mit Corona?
Pino Vastano: Nun, uns hat es voll getroffen vom Flughafen her, aber auch Gastronomie und Hotels mussten während des Lockdowns schliessen oder reduzieren.
Infolge des Lockdowns gab es weniger Frequenzen in den Läden, was weniger Umsatz und ebenfalls Kurzarbeit bedeutet. Dadurch wird der Uniformservice nicht mehr beansprucht, es gibt keine Neueintritte, die Budgets für Uniformen wurden gekürzt, die Tragezeit der Uniformen wurde verlängert – auch durch die Nichtbenützung während des Lockdowns. Einzig durch Gewichtsveränderung oder einen Defekt wird einem Mitarbeitenden unserer Kunden erlaubt, die Uniform zu tauschen. Dadurch haben wir hier auch keine Frequenzen.
Wir sind seit Ende März – seit der Bundesrat den Lockdown ausgesprochen hat – in Kurzarbeit. Ich war als Einziger während des Lockdowns zu 50 Prozent hier, um die wenigen Kunden zu bedienen. Da der Kundenkontakt beim Ausmessen sehr nahe ist, konnten wir während einer gewissen Zeit gar keine Kunden empfangen.
Was hören Sie von Ihren Mitarbeitenden?
Wir haben regelmässigen persönlichen Kontakt, indem wir einmal monatlich zusammen grillieren. Dann informieren wir auch über die neusten Bestimmungen, die uns betreffen. Es gibt sehr unterschiedliche Situationen, für die meisten ist die Situation nicht existenzbedrohend, aber schwierig mit Kinderbetreuung und unsicherer Perspektive. Wir sind bereit, unseren Leuten mit Flexibilität beizustehen, sofern sie eine bessere Lösung finden. Versprechen können wir leider nicht viel, da niemand weiss, wie lange die Situation anhalten wird. Solange wir Kurzarbeitsentschädigung kriegen, werden wir niemandem künden. Die Personalkosten sind so gedeckt. Jedoch die ganzen anderen Fixkosten laufen weiter. Und die Kurzarbeitsentschädigung kommt mit zwei bis drei Wochen Verzögerung, womit die Liquiditätsplanung sehr wichtig ist.
Seit März 2020 haben wir und unsere eigenen Produzenten keine neuen Bestellungen erhalten. Wenn da keine Liquiditätsreserven von früher vorhanden sind, wird es für viele eng. Und: wie lange hält man damit durch?
Gibt es Kunden, die existenzgefährdet sind?
Ich habe nicht den Eindruck, dass unsere Kunden akut gefährdet sind, weiss es aber auch nicht bei allen. Jedoch wird sich vielerorts die Unternehmensgrösse reduzieren. Momentan ist langfristige Planung unmöglich. Wir gehen aber davon aus, dass unsere Kunden weiterhin Uniformen und unseren Service nutzen werden. Jedoch wird auch bei uns das Arbeitsvolumen sinken. Wir müssen schauen, wie wir dies auffangen können mit Diversifikation. Existenzängste sind aber sehr wohl ein Thema.
Wie ist die Situation bei Lieferanten?
In der Kleiderbranche wird ja über ein halbes Jahr im Voraus produziert, weshalb wir bisher noch Aufträge ausliefern und fakturieren konnten. Seit März 2020 haben wir aber keine neuen Bestellungen erhalten, womit das Problem eigentlich erst anfängt. Desgleichen bei unseren Produzenten. Wenn da keine Liquiditätsreserven von früher vorhanden sind, wird es für viele eng. Und auch dann: wie lange hält man damit durch? So wird sich der Konsum reduzieren: Ferien nur noch einmal jährlich, die Schuhe halten auch noch ein paar Monate länger. In der Schweiz haben wir durch die Strukturen ein grosses Glück. In Bulgarien und Italien, wo ich Produktionen und Lieferanten habe, gibt es nur gegen grossen administrativen Aufwand Entschädigungen. Ich denke, in der Schweiz sind wir uns noch gar der Schwere der Situation bewusst, da wir nie eingesperrt waren. In Indien waren viele während mehr als 211 Tagen zu Hause!
Gibt es Ängste in Ihrer Belegschaft?
Ich weiss von meinen Mitarbeitern, dass sie die Arbeit hier gerne machen, die Atmosphäre ist sehr familiär, und das fehlt vielen. Angst, dass unsere Mitarbeitenden nichts anderes finden, ist eher marginal. Es gibt aber mehr und mehr Menschen, die in Not geraten. Dafür ist die Heilsarmee da. Sie wird momentan noch mehr gebraucht als sonst, und das wird geschätzt.
Die Transformation vom persönlichen Kontakt zu vermehrter Kommunikation via Videokonferenz ist sicher kostengünstiger für viele Firmen, wichtige emotionale Aspekte kommen aber nicht rüber. Es wird weiterhin nötig sein, persönlich jemanden zu treffen, aber viel weniger als früher.
Worauf setzt Corporess in diesen schwierigen Zeiten?
Wir setzen stark auf regelmässigen, persönlichen Kontakt, um eine langfristige Beziehung aufzubauen. Im Fachhandel weiss ein Verkäufer den Namen des Kunden und was ihm gefällt. Wir zählen da dazu: Fachberatung und ganz einfach die Einschätzung, ob die Uniform sitzt, zählt. Wir respektieren die Einstellung anderer und passen uns dem Kundenwunsch an. Wir sind hier in der Schweiz acht Mitarbeitende, und in Bulgarien vier. Unsere Kunden kommen gerne zu uns, was auch für uns interessant ist, um zu sehen, was alles läuft. Es ist nicht die erste Krise, die die Welt erlebt. Wie geht das weiter? Der persönlicher Kontakt und die Wirtschaft wird über Jahre leiden mit Corona.
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Gino Brenni
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