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Acquecio (37) kommt jede Woche ins «Three Hearts», dem Zentrum der Heilsarmee in São Paulo. «Hier ist es viel ruhiger und es gibt weniger Konflikte zwischen den Besuchern wie bei anderen Organisationen. Es ist ein friedlicher Ort», erklärt er. Acquecio stammt aus der Nähe von Recife, im Nordosten Brasiliens. Dort arbeitete er als Assistent in der Buchhaltung. Zehn Jahre lang war er süchtig nach Crack.
Um seiner Familie weiteres Leid zu ersparen und einen Neuanfang zu wagen, zog er nach São Paulo und fand dort Arbeit. Doch wegen der Pandemie verlor er seinen Job. Nun hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Wohnen tut er in einer Notunterkunft, wie zehntausende andere Obdachlose in der Grossstadt.
Der Weg zur Heilsarmee
«Jemand erzählte mir von der Heilsarmee und diesem Projekt. Also dachte ich: Warum nicht einmal vorbeischauen? Die Mitarbeiter hier behandeln uns wie richtige Menschen, mit viel Würde und Respekt. Das ist mir manchmal fast wichtiger als die Angebote. Das ist leider an vielen Orten anders.» Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Den Humor hat er trotz seiner Situation noch nicht verloren.
«Die Mitarbeiter behandeln uns hier mit mehr Würde und Respekt als andernorts.»
Heute ist Acquecio seit über einem Jahr weg von den Drogen. Er kommt jeden Montag und Dienstag ins Zentrum, pünktlich zum Frühstück: «Dienstag ist jedoch mein Lieblingstag, es gibt noch mehr Aktivitäten als am Montag». Er sieht sich in einer neuen Phase in seinem Leben, eine Phase der Restrukturierung, wie er es selbst nennt. «Ich denke, ich habe die Hälfte des Weges bereits hinter mir. Die professionelle psychische Betreuung hier im Zentrum hilft mir sehr. Ich hoffe, ich bekomme bald einen neuen Job und eine neue Wohnung.»
Ein Funken Hoffnung
«Ehrlich gesagt, habe ich nicht mehr viel, worauf ich mich freue. Auch die Hoffnung habe ich seit längerem aufgegeben», erklärt Elionaldo (55). Er spricht langsam, sein Blick ist gesenkt und leer: «Nach meiner Scheidung machte ich harte Zeiten durch. Ich verlor mein Zuhause und hatte plötzlich keine fixe Adresse mehr.»
Elionaldo kommt zwei Mal die Woche ins Zentrum für Obdachlose der Heilsarmee in São Paulo. «2007 wurde ich obdachlos. Zuerst dachte ich, es sei nur für eine kurze Zeit. Doch danach verlor ich auch meine Arbeit. Nun sind es schon 15 Jahre, in denen ich so leben muss», führt er traurig aus.
Nach Angaben der Behörden in São Paulo sind zurzeit über 70’000 Menschen obdachlos in der Stadt. «Vielleicht kommt eines Tages mein Lebenswille wieder zurück. Der psychologische Dienst hier im Zentrum tut mir jedenfalls gut. Es ist lange her, dass mir etwas guttat.»
«Three Hearts» – Ein Herz für Obdachlose
Elionaldo hat von anderen Obdachlosen vom Heilsarmee-Projekt erfahren. Im Zentrum erhalten die Hilfesuchenden mehr als nur Kleider und Mahlzeiten. Das Ziel ist, die Menschen nicht nur zu ernähren und so ihr Überleben zu sichern, sondern sie in stabile Strukturen wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Am besten gelingt dies immer noch durch Ausbildung und bei der Hilfe nach Arbeit und geregeltem Tagesablauf. Wird dies erreicht, dann haben die Teilnehmer etwas erreicht, was sie so nicht mehr kannten: Eine Wahl, zu leben wie sie es möchten und für richtig halten.
Elionaldo nimmt jeden Tag, wie er kommt. Viel anderes bleibt ihm zurzeit nicht übrig. Aufgrund seines Alters hofft er, vom Staat bald Familienunterstützung, die armen Bevölkerungsschichten zugutekommt, zu erhalten. Sollte er dies erreichen, dann hätte er wieder ein stabiles Einkommen. «Die Heilsarmee hilft mir mit den Formalitäten. Sie helfen mir somit auf vielen verschiedenen Ebenen und tun wirklich ihr Bestes. Vielleicht kann ich eines Tages sagen, dass die Heilsarmee mir meine Hoffnungen und Träume zurückgebracht hat. Aber dieser Tag liegt noch fern.»
Die Heilsarmee kämpft gegen Obdachlosigkeit in Brasilien
Das Zentrum der Heilsarmee in São Paulo, «Three Hearts», bietet Unterstützung für Hilfesuchende. Sie erhalten warme Mahlzeiten, psychologische Betreuung und Kleidung. Ziel ist es, Obdachlosen ein eigenständiges Leben in Würde zu ermöglichen und sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Deshalb können Obdachlose einen Schulabschluss nachholen oder eine Ausbildung absolvieren, um ihre Jobchancen zu verbessern. Die Heilsarmee unterstützt sie zudem bei der Stellensuche oder hilft ihnen, komplizierte bürokratische Hürden zu überwinden, damit sie an staatliche Förderprogramme oder andere Unterstützung gelangen. Durch rechtliche Beratungen und gesundheitliche Betreuung stärkt das Zentrum die Autonomie und das Selbstvertrauen der Besucherinnen und Besucher.
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Die Internationale Entwicklung der Heilsarmee Schweiz setzt weltweit Hilfsprojekte für Menschen in Not um. Dank Ihrer Spende können wir Menschen wie Elionaldo zu mehr Selbstbestimmung verhelfen.
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