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Es ist ein kühler, verregneter Dienstagnachmittag, und ich bin froh, als ich nach zehn Minuten Fussmarsch vom Bahnhof La Chaux-de-Fonds Richtung Hôtel de Ville in die Wärme des «Espace Siloé» eintreten kann. Von aussen wirkt die Lokalität wie ein normales Restaurant – wären da nicht die zwei Laternen neben der Eingangstür, die mit dem Heilsarmee-Wappen verziert sind, anstatt mit einem Feldschlösschen-Signet wie früher. Drinnen sitzen ein paar Gäste und unterhalten sich angeregt; ein älterer Mann schiebt gerade vorsichtig sein E-Bike durch die Seitentür und winkt zum Abschied.
Ich werde von den Heilsarmee-Offizieren Isabella und Didier Chastagnier begrüsst und herzlich willkommen geheissen. Bei einem Kaffee und einem feinen Stück Kuchen erzählen mir die beiden, wie sich dieses seit vielen Jahren leerstehende Lokal nun wieder mit Leben gefüllt hat.
Was brauchen die Menschen in La Chaux-de-Fonds?
Diese Frage stellten sich Didier und Isabella, als sie Anfang 2022 in die zweitgrösste Stadt des Kantons Neuenburg zogen, nach über 30 Jahren Offiziersdienst bei der Heilsarmee in Frankreich.
Der bisherige Heilsarmee-Standort in der Stadt war seit gut zwei Jahren nicht mehr in Betrieb. Isabella und Didier wollten wieder etwas aufbauen – als Ergänzung zu bestehenden Angeboten in der Region. «Die Arbeit im ersten Jahr bestand vor allem darin, die Kirchen und Vereine der Stadt zu besuchen, um zu sehen, was bereits besteht und wo es Bedürfnisse gibt», berichtet Didier über ihre Anfangszeit in La Chaux-de-Fonds. Im Austausch mit verschiedenen Akteuren reifte die Idee, ein «Kirchen-Café» zu schaffen – einen Raum der Gemeinschaft und Hoffnung.
Siloé: eine Sicht für die Zukunft
Isabella erklärt, was es mit dem Namen «Espace Siloé» auf sich hat: «Der Name Siloé (Siloah) stammt aus der Bibelstelle, die wir in Johannes 9,7 finden: ‹Geh zu dem Teich Siloah – das heisst übersetzt: gesandt – und wasche dich! Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder.› Siloah bedeutet, eine Sicht für die Zukunft und Hoffnung wiederzufinden – das, was der Blinde, um den es in diesen Versen geht, in seinem Leben wiedergefunden hat. Wir versuchen, dies mit den Menschen hier zu teilen.»
Mehr als ein Café
Raum für Unkonventionelles
Am Dienstagabend verwandelt sich das «Espace Siloé» in einen Box-Trainingsraum. «Box Up» ist ein Angebot für Junge zwischen 13 und 25 Jahren. «Das Boxen findet ohne Körperkontakt statt», erklärt Isabella. «Man boxt auf die Boxsäcke oder gegen die Hand, nicht auf den Körper des Gegenübers. Nach dem Training setzen sich alle in einen Kreis am Boden und diskutieren zusammen über Fragen wie: Wieso komme ich zum Boxen? Was gibt mir das? Brauche ich es, um Frustrationen loszuwerden? usw. Das ergibt spannende, persönliche Gespräche über Gott und die Welt.
Irene Gerber
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