Sich manchmal schlecht und niedergeschlagen zu fühlen, ist normal und geht vorüber. Bei einer Depression ist das jedoch nicht so einfach: Tiefe Traurigkeit breitet sich aus, negative Gedanken dauern an und bestimmen den Alltag. Eine Depression führt dazu, dass Menschen sich anders fühlen und verhalten. So erging es auch Oswald Dänzer (63).
Die Gemeinschaft der Heilsarmee gab Oswald wieder Hoffnung.
Aufgewachsen ist Oswald Dänzer in einer Bauernfamilie, die nebst der Landwirtschaft auch einen Gasthof führte. Arbeit gab es immer und so lernte er bereits früh, verschiedenste Aufgaben zu übernehmen.
Das kam Oswald später im Berufsleben immer wieder zugute. Ob als Koch in einem Ausflugsrestaurant, als Verantwortlicher für das Catering einer Fluggesellschaft, Leiter einer Sportanlage oder als Betreuer Inhaftierter – als Allrounder stellte sich Oswald jeder Herausforderung.
Krankheit als Auslöser
Zuletzt arbeitete Oswald als Hauswirtschafter für eine soziale Einrichtung im Raum Zürich und stand mit beiden Beinen fest im Leben. Die vielseitigen Aufgaben lagen ihm und die Arbeit erfüllte ihn. Dann erkrankte seine Frau schwer an Covid und musste ins künstliche Koma gelegt werden. Über Wochen war der Ausgang unklar. Bis auf zwei Tage direkt zu Beginn, ging er zuverlässig seiner Arbeit nach.
«Ich spürte den auf mir lastenden Druck der Ungewissheit, doch ich war überzeugt, dass ich mit der Situation klarkommen würde.»
Oswald über die Covid-Erkrankung seiner Frau
Gute Nachrichten, unerwartete Folgen
Nach vier Wochen kam endlich die Erlösung: «Meiner Frau ging es besser und sie konnte aus dem Koma geholt werden. Sie erholte sich und nach der Reha wusste ich: Es kommt wieder gut.» Eine grosse Erleichterung.
Doch dann ging es Oswald immer schlechter. Nichts interessierte ihn mehr, er freute sich auf nichts mehr und kein Lachen kam mehr über seine Lippen. «Ich funktionierte weiter und ging arbeiten. Doch ich merkte, dass ich dünnhäutiger geworden war. Dinge, die ich früher mit Spass entgegengenommen habe, nervten mich nun. Ich dachte, das geht vorbei. Doch es blieb», führt Oswald aus.
Hoffnung entfalten
In der diesjährigen Weihnachtszeit setzt die Heilsarmee ein besonderes Zeichen für Menschen in Not und schenkt ihnen neue Hoffnung.
Nach Monaten in diesem Zustand, führte ein Gespräch mit seinem Bruder dazu, dass sich Oswald über die Symptome einer Depression informierte. Erschüttert stellte er fest, dass vieles auf ihn zutraf. Vertrauensvoll wandte er sich an seinen Arbeitgeber und kommunizierte transparent seine Befürchtungen. Er bat um Beobachtung und eine Einschätzung.
Drei Wochen später wurde er zum Gespräch gebeten. Dabei wurden ihm zwei Schreiben zur Unterschrift vorgelegt – eine reguläre Kündigung und eine Aufhebungsvereinbarung. «Ich wusste nicht, was eine Aufhebungsvereinbarung ist, und verweigerte daher an diesem Tag meine Unterschrift. Doch in meinem Zustand war ich unfähig zu handeln, so dass ich mir schliesslich keinen Rat suchte. Einige Tage später unterschrieb ich die Vereinbarung – ein gewaltiger Fehler, wie ich heute weiss», schlussfolgert Oswald.
Zwei Tage später ging er zum Arzt und wurde krankgeschrieben. Eine psychologische Abklärung bestätigte Oswald eine schwere Depression.
«Zeitweise ging es mir so schlecht, dass ich menschlichen Kontakt nur schwer ertrug. Ich verliess kaum mehr das Haus und betrat kein Geschäft mehr.»
Nach einigen Monaten in stationärer und ambulanter Behandlung ging es Oswald besser. Obwohl ihm der Kontakt zu Menschen immer noch schwerfiel, suchte er wieder eine Beschäftigung. Er traf sich mit einer guten Freundin der vorherigen Arbeitsstelle: «Sie hat einen engen Bezug zur Heilsarmee und meinte, dass es da eventuell eine Möglichkeit gäbe. Kurz darauf besuchte ich sie im Hope House der Heilsarmee Zürich und wurde mit offenen Armen empfangen. Das gab mir die Hoffnung, dass es weitergehen wird.»
Und so kam es auch: Als ehrenamtlicher Koch zaubert er zweimal pro Woche ein dreigängiges Menü aus Lebensmittelspenden für bis zu 100 Menschen in einer schwierigen Lebenslage. «Mit meiner Tätigkeit unterstütze ich andere Menschen in einer Notlage. Eine sehr erfüllende Aufgabe», bestätigt Oswald. Zudem gibt er mit viel Freude sein Wissen als Coach an die freiwilligen Mitarbeitenden im Küchenteam weiter.
Oswald bei der Zubereitung des Mittagessens im Imbiss HOPE.
Gern gibt Oswald sein Wissen an die anderen freiwilligen Mitarbeitenden weiter.
Auch Spass muss sein!
Aus den gespendeten Lebensmitteln zaubert das Küchenteam zweimal in der Woche ein nahrhaftes Essen für bis zu 100 Personen.
Hoffnung durch die Kraft der Gemeinschaft
Im HOPE HOUSE fand Oswald mehr als eine Tagesstruktur. Er ist wieder Teil eines Teams und einer Gemeinschaft. In dieser Gemeinschaft konnte er neue Beziehungen aufbauen und erlebt immer wieder aufs Neue Wertschätzung als Mensch.
«Ich wurde Teil einer Gemeinschaft mit Menschen und Gott, die mich stärkt. Woche für Woche merkte ich, wie es mir besser ging und ich immer selbstsicherer wurde. Jetzt bin ich auf dem Weg zur vollständigen Genesung», erzählt er mit einem Lächeln. Auch wenn sich Oswald bewusst ist, dass es schwierig ist, wäre es sein Wunsch, nochmals eine Festanstellung bis zu seiner Pension zu finden.
«Dank der Heilsarmee habe ich wieder zu mir selbst gefunden.»
Abschliessend hat Oswald noch einen guten Rat an alle, die sich in einer schwierigen Situation befinden:
«Niemals die Hoffnung aufgeben! Denn wie tief es auch runtergeht, irgendwann geht es wieder aufwärts.»
Judith Nünlist
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Tim Blöchlinger
Sehr schöne Geschichte. Besten Dank dafür, Judith.