Etwas sagt Vlatka immer wieder zu Petra*: «Du bist nicht allein. Gott ist da, ich bin da und somit sind wir schon zu dritt. Wir zwei machen das Mögliche und Gott das Unmögliche.»
Petra* konnte dank der engen Begleitung durch eine Heilsarmee-Mitarbeiterin ein neues Leben beginnen. (Zu ihrem Schutz wurde der Name geändert und eine andere Person abgebildet.) / Bilder: fotovilla.ch, Debora Gerber
Petras Leben verlief von Beginn an schwierig: Von den Eltern erfuhr sie kaum Liebe, aufgezogen wurde sie von ihrer Grossmutter, ihr Stiefvater schlug und misshandelte sie regelmässig. Ihre Mutter und Grossmutter hatten nicht die Kraft und den Mut, sich für sie zu wehren, sie schwiegen zu allem.
Im Alter von 18 Jahren folgte Petra dem Ruf einer Freundin in die Prostitution. «Ich wollte unbedingt weg von meiner Familie und sah darin eine Chance,» erzählt sie rückblickend. Anstatt wie erhofft viel Geld zu verdienen, erlebte sie aber in diesem Milieu noch mehr Gewalt, Betrug und Misshandlung und wurde weiter traumatisiert.
«Von Beginn an wusste ich, dass ich Vlatka vertrauen kann.»
Petra*
Petra war seit acht Jahren in der Prostitution tätig, als sie eines Abends das Nachtcafé von Rahab in Basel besuchte. So lernte sie Vlatka Krippner, die Leiterin von Rahab Basel, kennen. «Von Beginn an wusste ich, dass ich Vlatka vertrauen kann», erzählt sie. «Ich wollte schon lange aussteigen. Aber ich sah keine Chance und hatte auch grosse Angst vor einem neuen Leben, denn ich kannte kein anderes.» Ungefähr einen Monat nach dem Kennenlernen nahm Petra jedoch all ihren Mut zusammen und wandte sich mit einem Hilferuf an Vlatka. «Ich bat sie, mich aus dieser Hölle zu retten. Sie antwortete mir, dass sie mich nicht retten könne – aber Gott. Und dass sie wie eine Löwin um mich kämpfen werde und wir es gemeinsam schaffen werden.»
Bei einem ihrer ersten Treffen schaute Petra gemeinsam mit Vlatka eine Folge der Fernsehserie «The Chosen» (Die Auserwählten, eine Serie, die Jesus durch die Augen derer zeigt, die ihm begegnet sind). «An diesem Tag habe ich mein Leben Jesus anvertraut und ihn gebeten, mir zu helfen, ein neues Leben zu beginnen», berichtet Petra weiter. «So begann mein Ausstieg.»
«Von Beginn an wusste ich, dass ich Vlatka vertrauen kann.»
Petra*
«Ich habe Petra gesagt, dass ich jederzeit, auch nachts, für sie da bin. So konnte ich ihr Mut zusprechen.»
Vlatka Krippner
Leiterin Rahab Basel
Jederzeit da
«Ich habe Petra gesagt, dass ich jederzeit, auch nachts, für sie da bin», ergänzt Vlatka. «So konnte ich ihr Mut zusprechen. Ich musste ihr aber auch sagen, dass sie Geduld haben muss, denn der Aufbau eines neuen Lebens geschieht nicht über Nacht.»
Rahab bezahlte für fünf Tage Petras Zimmermiete. So musste sie sich nicht mehr anbieten und konnte ein paar Tage wegfahren. Das war der erste Schritt raus aus der Prostitution. Als nächstes konnte Petra dank der engen Vernetzung mit anderen Einrichtungen der Heilsarmee bald eine Stelle im Brockino Basel antreten und in eine Notwohnung von Rahab einziehen.
«Das Motto ‹Suppe, Seife, Seelenheil› der Heilsarmee hat mich bei diesem Begleitprozess von Anfang an geleitet», erklärt Vlatka. «William Booth hatte Recht: Du musst dem Menschen zuerst eine Grundversorgung geben, damit sie Gott als Hirten erleben können. Ich bin so dankbar, dass die Heilsarmee konkrete Ressourcen zur Verfügung hat. Auch durch diese praktische Hilfe hat Petra gesehen, dass ein Ausstieg möglich ist.»
Ein Prozess der Heilung
«Ich erlebe die Heilsarmee als Familie. Das gibt mir Stabilität und Kraft. Ein Gefühl, das mir lange fremd war.»
Petra*
Der Weg der Heilung, der für Petra begonnen hat, ist ein langer und steiniger Prozess, bei dem es viel zu verarbeiten gibt. «Ich musste mich neu orientieren, andere Menschen finden, neue soziale Kontakte knüpfen. Heute ist es bereits tausendmal besser. Ich habe ‹normale› Menschen kennengelernt, habe meine Arbeit und ein geregeltes Leben. Aber es war sehr schwierig, mich aus meinem alten Umfeld zu lösen.»
Zudem leidet Petra als Folge von allem Erlebten unter einer starken Depression. Ihr ist bewusst, dass sie die Traumatisierungen, die sie in ihrem Leben erlitten hat, aufarbeiten muss, und dass dies Zeit braucht. So sagt sie denn auch: «Ich will meiner Familie vergeben können. Heute ist der Kontakt zu meiner Mutter wieder besser, und wir sprechen fast täglich miteinander. Ich liebe meine Mutter, aber vergessen kann ich nicht. Manchmal kommt alles wieder hoch und ich spreche wieder zwei Wochen nicht mit ihr. Ich möchte ihr vergeben, aber das dauert noch.»
Für Petra ist klar, dass sie auf diesem Weg der Heilung weiterhin Hilfe und Begleitung benötigt: «Hilfe annehmen ist wichtig, allein schaffe ich das nicht. Aber Vlatka hat immer Zeit für mich und ist mir eine grosse Stütze. Ich erlebe die Heilsarmee als Familie. Das gibt mir Stabilität und Kraft. Ein Gefühl, das mir lange fremd war.»
«Ich erlebe die Heilsarmee als Familie. Das gibt mir Stabilität und Kraft. Ein Gefühl, das mir lange fremd war.»
Irene Gerber
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