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In den seelsorgerischen Gesprächen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Lorrainehofs ist Einsamkeit immer wieder Thema.

Scham und Rückzug als Auslöser

Wir treffen Christoph Stoll im Berner Lorrainehof der Heilsarmee. Hier ist er seit einigen Jahren als Seelsorger tätig. Dass er von den Bewohnerinnen und Bewohnern sehr geschätzt wird, wird schnell deutlich – da ein freundlicher Gruss über den Flur, hier ein kurzer «Schwatz» unterwegs. Dieses Vertrauensverhältnis ist sehr wichtig für die Arbeit von Christoph Stoll, der in den Gesprächen auch immer wieder mit dem Thema Einsamkeit konfrontiert wird.

Plötzlich im Heim

Wo die Bewohnenden im Lorrainehof zuvor selbst über Nähe und Distanz entscheiden konnten, finden sie sich unverhofft mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern auf engem Raum wieder. Im Speisesaal, dem Raucherzimmer, der Aktivierung oder im Garten – immer sind andere, ebenso Betroffene da, denen im früheren Leben aus dem Weg gegangen werden konnte.
Allgegenwärtig spiegelt sich den Bewohnenden die Tatsache vom eignen Unvermögen in den Andern wider. Die Auseinandersetzung mit einem oft nicht bewältigten Leben, dem Gelingen oder Nichtgelingen und dem, was erreicht oder nicht erreicht wurde – eine Reflexion, welcher zuvor möglicherweise noch ausgewichen werden konnte, drängt sich nun auf. Die Tage zwischen den Essenzeiten sind lang. Viele Bewohnerinnen und Bewohner vermögen es nicht, sich mit anderen zusammen zu tun. Nicht wenige ziehen sich zurück. Sich einsam, nicht zugehörig fühlen, ist für viele beschwerlich. Genau dafür ist Christoph Stoll da.

Menschen wollen wahrgenommen werden

Christoph Stoll weiss: Patent-Ratschläge für einsame Menschen gibt es nicht. Menschen wollen wahrgenommen werden. Da in ihrem Leben Begegnungen aber über einen langen Zeitraum nicht mehr stattgefunden haben, ist es für die Bewohnenden schwierig, von sich aus Kontakte zu knüpfen und auf andere zuzugehen. Vertrauen will aufgebaut werden. Dieses wieder zu erlernen, Nähe überhaupt wieder zuzulassen, braucht Mut und ist ein schrittweises Herauswagen aus dem Rückzug.
Ein Ratschlag kommt bezeichnenderweise nicht vom Helfer, sondern implizit von den Betroffenen selbst: Bei einer Umfrage, was sich Menschen am Rande unserer Gesellschaft am meisten wünschen, lautete die Antwort: «Ich möchte wahrgenommen werden.» Wir alle kommen in die Krise, wenn uns das Gemeinschaftsgefühl abhandenkommt. Einsamkeit kennt keine gesellschaftlichen Grenzen und kann jeden treffen.

Zeit mit einsamen Menschen teilen

Daher Stoll’s Ratschlag für uns alle: «Versuchen Sie’s bei der nächsten Begegnung mit einem betroffenen Menschen mit einem offenen Blick, einem Lächeln oder stellen Sie sich mit Namen vor und teilen Sie ein bisschen Zeit. Auch Suchtbetroffene sind einsam. Denn was seit Schliessung der Offenen Szene nicht mehr sichtbar scheint, ist dennoch immer da. Sie sind da! Mitmenschen unserer Gesellschaft, die den Ausstieg aus der Sucht nicht bewältigt haben. Einige von ihnen noch aus der Platzspitz-, Letten- oder Kocherparkzeit. Sie kennen Einsamkeit – auch das Alleinsein mit dem Entsetzen über die eigene, scheinbar ausweglose Sucht.»

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Christoph Stoll ist beruflich vielseitig unterwegs. Gelernt hat der fünffache Vater Landschaftsgärtner HF. Nach vielen Jahren auf diesem Gebiet, absolvierte er die Ausbildung zum Psychosozialen Berater an der Akademie für Individualpsychologie (AFI). 12 Jahre lang arbeitete er in der Lebens- und Therapiegemeinschaft Fischerhus in Riehen im Massnahmenvollzug (Therapie statt Gefängnis) im Bereich Sucht. Bei der GEWA Bern förderte er während fünf Jahren die Integration von Menschen in einer psychisch herausfordernden Situation. Seit 2017 begleitet er als Seelsorger die Bewohnerinnen und Bewohner im Lorrainehof Bern.

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