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«Ich komme aus gutem Haus, wie man so schön sagt. Doch das ist keine Garantie, dass das Leben dann auch gut verläuft.
Aufgewachsen war ich in Kirchlindach. Meine Geschwister waren gute Schüler – bei mir ging der Knopf erst später auf. Ich hielt die Schule für nicht so wichtig.
Trotzdem wurde ich später Lehrer und übte diesen Beruf, der für mich Berufung war, mit Leidenschaft aus.
Lehrer aus Leidenschaft
Das Lehrerseminar schloss ich mit recht guten Noten ab. Nur in einem Fach gab es eine ungenügende – eine Ungerechtigkeit von einem Lehrer, der mich nicht mochte. Immerhin lehrte mich diese Erfahrung, mit meinen eigenen Schülern anders umzugehen, sie zu bestätigen und zu bestärken.
Nach einem Wanderjahr mit Stellvertretungen trat ich 1982 eine feste Lehrerstelle im Boden, Adelboden, an. 1989 wechselte ich an die Oberstufe in Heimberg. Ich arbeitete viel und übernahm viele Schulstunden und Ämter. Ich war pflichtbewusst und fühlte mich für alles Mögliche verantwortlich – zu sehr, wie ich heute weiss.
Ich hätte mehr Nein sagen müssen. Doch ich dachte immer: «Das geht schon noch und das auch noch. Sonst macht es ja niemand.»
Aus der Bahn geworfen
«Die ständige Überlastung führte 2006 zu meinem ersten Burnout. Nach einer kurzen Erholungszeit liess ich mich überreden, gleich bei einer schwierigen Klasse mitzuwirken. Ich war zwar zu 50 Prozent krankgeschrieben, doch schnell wieder 100 Prozent engagiert.
2008 ging dann gar nichts mehr – mein zweites Burnout stürzte mich endgültig in den Abgrund. Besonders hart traf mich, dass mir wegen meines Rückschlags genau auf mein 20. Schuljubiläum hin gekündigt wurde: Das war das Ende meiner Tätigkeit als Lehrer, in der ich doch aufgegangen war.
Ich sah nur noch eine Wand vor mir und verbrachte einige Monate in den Psychiatriezentren Münsingen und Meiringen.
Nach Meiringen kam ich in ein Heim für betreutes Wohnen. Die Heimleitung dachte wohl, dass ich schnell wieder auf die Beine kommen würde. Deshalb unterliess sie es, mich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) anzumelden.
Doch der Tunnel war länger als angenommen und ich sackte erneut ab. So plagten mich bald Geldnöte. Da ich beim RAV nicht registriert war, erhielt ich keine finanzielle Unterstützung und wurde mittellos. Ich wusste nicht mehr weiter und konnte mich aus eigener Kraft nicht um eine Lösung kümmern.»
Rettungsanker Heilsarmee
«2015 tauchte in mir ein Bild auf, das sich mir als kleiner Junge auf den Strassen von Bern eingeprägt hatte: Das Dreibein mit dem Spendentopf der Heilsarmee und deren Mitglieder, die Gitarre spielten und sangen. Da ich aus Scham zu meiner Familie keinen Kontakt mehr unterhielt, brachte mich das Bild auf die Idee, als letzte Hoffnung die Heilsarmee um Hilfe zu bitten.
Ich meldete mich in ihrem Passentenheim in Thun und erhielt gleich ein Zimmer. Danach traf mich ein erneuter Schicksalsschlag: Ich erlitt einen Schlaganfall. Im Spital fand man heraus, dass ich einen Herzfehler hatte, der auch für meine früheren Gesundheitsprobleme verantwortlich war.
Trotzdem bekam ich im Passantenheim und im begleiteten Wohnen, wohin ich 2016 wechselte, wieder Boden unter den Füssen. Dabei sehr geholfen hat mir Kurt Hanhart, der das Passantenheim leitet. Endlich hatte ich jemanden gefunden, dem ich mich öffnen konnte. In vielen langen Gesprächen sind wir Freunde geworden.
Kurt kümmerte sich auch um meine IV und konnte eine volle Rentennachzahlung erwirken. Mit diesem Geld kann ich mir eine Wohnung in Frutigen leisten, die ich 2020 beziehen werde.
Zudem habe ich seit 2 Jahren wieder Kontakt zu meiner 94-jährigen Mutter. Die Heilsarmee hat mich zurück ins Leben gebracht. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.»
Haus zum Wohnen und Leben
Im Passantenheim der Heilsarmee Thun finden vorübergehend obdachlose Menschen eine Unterkunft. Einige Bewohner bleiben längere Zeit – bis es ihre Lebenssituation ermöglicht, in einer eigenen Wohnung oder an einem Therapieplatz den Start in ein neues Leben zu wagen.
Das Passantenheim liegt zentral und verfügt über 15 Betten. Kurt Hanhart, der das Heim leitet, sagt: «Wir bieten rund ums Jahr vielen gestrandeten Menschen einen Ort der Geborgenheit und Wärme, der Zuwendung und Hilfe, ja, sogar ein Stück Heimat. Wir geben ihnen Wertschätzung, sehen das Wertvolle in ihnen und unterstützen sie beim Lösen ihrer Probleme.