Serge überwindet im Wohnheim Le Foyer endgültig seinen Kummer
Von Anfang an war Serge Pernoud (80) das Glück nicht hold. Schon in der Kindheit und bis ins hohe Alter musste er mehrere schmerzhafte Verluste verkraften – mit teils dramatischen Folgen. Was das für ihn bedeutete und wie es ihm heute geht, erzählt er selbst.
Nach langer Zeit der Traurigkeit und Einsamkeit hat Serge im Altersheim «Le Foyer» sein Lachen wiedergefunden.
«Aufgewachsen bin ich in Cormondrèche, einer ehemaligen Gemeinde im Kanton Neuenburg oberhalb von Auvernier. Als ich fünf Jahre alt war, trennten sich meine Eltern und liessen mich bei meinen Grosseltern zurück. Beide bauten sich ein neues Leben auf – ohne mich. Ein schwerer Schlag für ein Kind in meinem Alter.
Mein Vater konnte es sich nicht leisten, mich grosszuziehen. Meine Mutter gründete eine neue Familie mit einem anderen Mann. Ich hatte nur sehr wenig Kontakt zu ihm und meinen Halbgeschwistern. Zum Glück erhielt ich von meinen Grosseltern all die Liebe, die man sich nur wünschen kann.
Eine kurze Ehe mit tragischen Folgen
Nach meiner Ausbildung zum Uhrmacher liess ich mich in La Chaux-de-Fonds nieder. Mit 21 Jahren heiratete ich meine erste Frau und wir bekamen zwei Söhne. Doch die Ehe zerbrach bereits nach drei Jahren. Die Beziehung zu meiner Ex-Frau blieb leider angespannt. So erlebte ich eine weitere schmerzhafte Trennung. Jahrelang suchte ich vergebens Trost im Alkohol. Doch das Schlimmste stand mir noch bevor.
Der Alkohol war über Generationen ein Fluch in unserer Familie: Mein Vater trank, ich trank und auch meine beiden Söhne griffen leider lange Zeit zur Flasche. Mein älterer Sohn verfiel dem Alkohol, nachdem ihn seine Frau verlassen hatte. Am Ende sah er keinen Ausweg mehr und nahm sich das Leben.
«Der Verlust meines Sohnes bleibt das schwerwiegendste Ereignis meines Lebens.»
Serge Pernoud
Ein grosser Schock und ein schwerwiegender Verlust, von dem ich mich bis heute nicht wirklich erholt habe. Mir kommen noch immer die Tränen, wenn ich darüber spreche. Zudem geben mir meine Ex-Schwiegertochter und meine Enkelkinder bis heute die Schuld am Alkoholismus meines Sohnes und somit auch an seinem Tod. Sie sprechen nicht mehr mit mir.
Neues Glück und weitere Verluste
Auf die schwierige Zeit folgen dann einige gute Jahre. Mit meiner zweiten Frau, die ich einige Jahre nach meiner Scheidung geheiratet hatte, führte ich ein glückliches Leben. Heute sind wir seit 44 Jahren verheiratet. Ihre beiden Kinder habe ich wie meine eigenen grossgezogen.
Ausserdem habe ich mit der tatkräftigen Unterstützung meines Psychologen gelernt, die Trauer um meinen Sohn zu verarbeiten. Auch den Alkohol konnte ich überwinden – seit 24 Jahren habe ich keinen Tropfen mehr angerührt.
Es fällt Serge schwer, in Erinnerungen zu schwelgen, ohne an die schmerzhaften Trennungen zu denken, die sein Leben geprägt haben.
Vor fünf Jahren spürte ich jedoch plötzlich heftige Schmerzen in der Brust. Ich erlitt einen schweren Herzinfarkt und wurde mit dem Krankenwagen ins Spital gebracht. Sie führten eine Reihe von Untersuchungen durch. Fast ein Jahr lang wurde ich daher immer wieder verlegt, was sehr anstrengend war. Das war vor fünf Jahren.
Durch diesen Vorfall habe ich viel von meiner Selbstständigkeit eingebüsst und werde wahrscheinlich nie wieder gehen können. Die Ärztinnen und Ärzte rieten mir deshalb, mein Zuhause endgültig zu verlassen und in ein Pflegeheim zu ziehen. So kam ich ins Alters- und Pflegeheim «Le Foyer» der Heilsarmee in Neuenburg.
Schleichende Einsamkeit
Am Anfang fiel es mir sehr schwer, mein Zuhause zu verlassen. Wieder musste ich loslassen. Im Nachhinein schloss ich jedoch Frieden mit dieser Entscheidung, da die Situation für meine Angehörigen zu belastend gewesen wäre. Zudem besuchte mich meine Frau weiterhin regelmässig – bis ein weiteres Unglück dazwischenkam.
Anfang 2025 wurde bei unserer Tochter eine sehr schwere Krebserkrankung diagnostiziert. Diese bedrückende Nachricht zu akzeptieren, war nicht leicht. Seither muss meine Frau, die selbst gesundheitlich angeschlagen ist, all ihre Kraft für sie aufbringen. Daher ist es ihr nicht mehr möglich, mich zu besuchen. Ein weiterer schmerzhafter Verlust, mit dem ich klarkommen muss. Ich vermisse sie sehr, denn heute kommt niemand mehr aus meiner Familie zu mir.
«Ich habe hier viele Freunde.»
Serge
In guter Gesellschaft bei der Heilsarmee
Umso dankbarer bin ich für die Gemeinschaft bei der Heilsarmee. Das hilft mir ein wenig über die schmerzliche Abwesenheit meiner Familie hinweg. Ich bin nicht nachtragend und habe mich weitgehend mit der Vergangenheit versöhnt.
Hier verstehe ich mich mit allen gut. Das Personal kümmert sich liebevoll um uns alle: Wir werden richtig verwöhnt! Zudem habe ich einige Freunde gefunden, mit denen ich mich täglich unterhalte. Ich nehme auch an verschiedenen Gemeinschaftsaktivitäten wie Lotto, dem Chor und dem Gottesdienst am Sonntag teil.
Mir ist bewusst, dass ich nie mehr zu meiner Frau nach Hause zurückkehren kann. Dennoch geht es mir heute ziemlich gut und ich blicke wieder nach vorne.»
Raphaël Kadishi
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