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Wir treffen Cynthia in den Räumlichkeiten des Begleiteten Wohnens der Heilsarmee in Amriswil zum Gespräch. Lebhaft und sehr reflektiert erzählt die Zwanzigjährige uns ihre Geschichte. Dass sie heute so offen über sich und ihr Leben sprechen kann, ist nicht selbstverständlich. Lange Zeit war das anders, sagt sie: «Ich habe nie richtig gelernt, mich zu öffnen und zu kommunizieren. Von mir aus auf Menschen zuzugehen, war sehr schwer für mich.»
Von Heim zu Heim und allein
Ursprünglich stammt Cynthia aus Deutschland, 2008 ist sie mit ihrer Familie in die Schweiz gezogen. Ihre Kindheit war sehr turbulent. Sie hat viele Sachen gesehen und durchgemacht, die ein Kind nicht erleben sollte. Aufgrund von häuslicher Gewalt und Vernachlässigung ist sie im Alter von acht Jahren zusammen mit ihrer Schwester erstmals in ein Heim gekommen.
Sie erzählt über diese Zeit: «Der Moment, als wir von zuhause wegkamen, war geprägt von Angst. Ich habe realisiert, dass etwas geschieht, hatte aber einfach nur Angst und viele Fragezeichen. Meine Schwester und ich haben mehrere Jahre jedes Wochenende hinter dem Zaun gewartet, dass unsere Mutter kommt. Aber sie kam nicht. Der Kontakt zu uns wurde ihr untersagt.»
Dann folgte auch noch die Trennung von ihrer Schwester. Sie kam an einen anderen Ort unter und die beiden haben sich so für längere Zeit aus den Augen verloren.
Ohne Hilfe geht es nicht
Lange Zeit wollte Cynthia keine therapeutische Hilfe annehmen, da sie dachte, es wäre ein Zeichen von Schwäche. Irgendwann wurde ihr dann aber klar, dass sie mit jemandem sprechen musste, um alles zu verarbeiten. Heute ist sie überzeugt: «Hilfe anzunehmen, ist voll in Ordnung. Wichtig sind Menschen von aussen, die einem in die richtige Richtung schubsen. Aber im Endeffekt muss man selbst bereit sein, den Schritt zu gehen. Man muss lernen, dass es Hilfe gibt und dass man sie annehmen darf.»
Von der Strasse in die eigene Wohnung
Vor knapp einem Jahr war Cynthia an einem Punkt, wo sie dringend Hilfe benötigte: «Ich habe in einer WG gelebt. Das funktionierte aber nicht mehr und ich wurde kurzfristig rausgeschmissen. Auch mit meinem Beistand gab es Probleme. Ich war nirgends angemeldet, hatte keine Dokumente und kein Geld – es gab genau mich und meinen Rucksack. Ich habe zwei Wochen draussen verbracht.» Auf Umwegen kam sie schliesslich in Kontakt mit dem Angebot des Begleiteten Wohnens der Heilsarmee in Amriswil. Dort war gerade ein Platz frei, eine hübsche kleine Wohnung im Dachgeschoss. «Das hat mein ganzes Leben zum Positiven verändert», meint Cynthia.
Begleitetes Wohnen: Es ist immer jemand da
Im Rahmen des Begleiteten Wohnens erhält Cynthia Unterstützung in den Bereichen, wo sie es braucht und wünscht. Aufgrund ihrer Erfahrungen war es für sie zu Beginn nicht einfach, sich auf die neue Situation einzulassen: «Ich brauchte einen Moment, um anzukommen, alles zu realisieren und anzunehmen. Es war schwierig für mich, wirklich zu verstehen, dass nun jemand da ist. Dass ich reden kann und mit meinen Problemen auf meine Betreuerin von der Heilsarmee zugehen darf. Das musste ich zuerst lernen, es war ein Prozess.»
In ihrer gemütlichen Dachwohnung fühlt Cynthia sich Zuhause: «Ich lebe nun seit knapp einem Jahr selbstständig in meiner Wohnung. Ich fühle mich aber nicht allein, im Gegenteil. Ich fühle mich so selbstbewusst wie nie zuvor und ich weiss, es ist immer jemand da.»
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Judith Nünlist
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