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Major Daniel Imboden hat nachgeforscht, was die Bibel zu Obdachlosigkeit sagt und teilt seine Gedanken dazu. (Foto: © Corinne Gygax)

Es gibt viele Auslöser, warum Menschen ihr Daheim verlieren: Ein Jobverlust, eine Trennung, eine Krankheit oder Verschuldung können dazu führen. Was sagt die Bibel zu Obdachlosigkeit und wie soll man ihr begegnen?

Hoffnung auch ohne festen Wohnsitz

Nach meinem Verständnis sieht die Bibel im Obdach, oder in einem festen Wohnsitz, nicht unbedingt das höchste Gut des Menschen. Erinnern wir uns daran: In alttestamentlicher Zeit wohnten die Menschen oft in Zelten und nicht in Häusern. Gottes Volk war nach dem Auszug aus Ägypten ein Nomadenvolk, das umherzog und keinen festen Wohnsitz hatte. Erst später, als die Israeliten ins verheissene Land einzogen, konnten sie sich niederlassen und Häuser bauen. Auch von Jesus wissen wir, dass er während seines dreijährigen Dienstes im Land umherzog und selbst von sich sagte: « … der Menschensohn hat keinen Platz, an dem er sich ausruhen kann.» (Matthäus 8, 20). Nicht zuletzt erzählt auch Paulus von einer schwierigen, jedoch begrenzten Zeit der Obdachlosigkeit und Verfolgung (1. Korinther 4, 11). Gerne denke ich aber auch daran, dass Jesus seinen Jüngern verspricht, dass er ihnen im Himmel eine Wohnung vorbereiten wird (Johannes 14, 2).

Das eigene Haus öffnen

Andererseits ist die Bibel auch ganz klar: Wer ein Haus hat, der soll dies auch für Gäste und Menschen, die ein Obdach brauchen, öffnen. Besonders gegenüber den Mitgliedern des eigenen Volks gebietet Gott in Jesaja 58, 7: «Teilt euer Brot mit den Hungrigen, nehmt Obdachlose bei euch auf, und wenn ihr einem begegnet, der in Lumpen herumläuft, gebt ihm Kleider! Helft, wo ihr könnt, und verschliesst eure Augen nicht vor den Nöten eurer Mitmenschen!»

Teilt euer Brot mit den Hungrigen, nehmt Obdachlose bei euch auf, und wenn ihr einem begegnet, der in Lumpen herumläuft, gebt ihm Kleider! Helft, wo ihr könnt, und verschliesst eure Augen nicht vor den Nöten eurer Mitmenschen!

Jesaja 58:7

Den Menschen in seiner Würde wahrnehmen

Im neuen Testament finden wir die interessante Geschichte eines von einem bösen Geist besessenen Mannes, der sich in der Umgebung von Gerasa in Grabhöhlen versteckte. Das Lukasevangelium berichtet: «Schon seit langer Zeit trug er keine Kleider mehr und blieb auch in keiner Wohnung, …» (Lukas 8, 27). Hier zeigt sich auch, dass Obdachlosigkeit oft nicht das einzige Problem eines Menschen in Not ist. Jesus begegnet diesem Mann, vor dem sonst alle in Angst fliehen, mit Respekt und Einfühlungsvermögen. Er nimmt ihn nicht als Obdachlosen, sondern als Menschen wahr und führt ihn in ein würdevolles Leben zurück. Mir scheint, dass wir hier wesentliche Elemente finden, wie mit obdachlosen Menschen umzugehen ist: Die Wurzel des Übels wird bekämpft, ein Mensch wird in seiner Würde wahrgenommen und eine Hoffnung und Lebensperspektive wird vermittelt.

Ein Zeichen der Nächstenliebe setzen

Schliesslich gibt es in der Bibel auch klare Verhaltensregeln gegenüber Menschen in Not. Jesus äussert in seiner Darstellung des Weltgerichts (Matthäus 25, 31ff) die bekannten Worte: «Denn als ich hungrig war, habt ihr mir zu essen gegeben. Als ich Durst hatte, bekam ich von euch etwas zu trinken. Ich war ein Fremder bei euch, und ihr habt mich aufgenommen.» (Vers 35). Diese Zeichen der Nächstenliebe sind unschätzbar wertvoll, denn «Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan!» (Vers 40).

Was sagt die Bibel zum Thema Obdachlosigkeit? Ich fasse es folgendermassen zusammen:

  • Nicht wegschauen, sondern wahrnehmen
  • Ein Obdachloser ist ein Mensch, der Würde verdient
  • Wer ein Obdach braucht und will, der soll auch eines erhalten
  • Gastfreundschaft ist eine christliche Pflicht
  • Jede gute Tat ist auch ein Liebesbeweis an Jesus
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