Renate Grossenbacher, Gefängnisdienst, von Angehört
Renate Grossenbacher, Gefängnisdienst, von Angehört

Renate Grossenbacher begleitete Angehörige von Inhaftierten.

Was der Gefängnisdienst für Inhaftierte ist, ist «Angehört» für die Nächsten draussen. Immer wieder kam der Gefängnisdienst auch mit Angehörigen und ihren Anliegen in Berührung. Doch sowohl die Interessen der Inhaftierten als auch die ihrer Angehöriger zu vertreten, war oft schwierig. So entstand aus dem Bedürfnis der Angehörigen und der Notwendigkeit, die Betreuung der beiden Interessengruppen aufzuteilen, das Angebot «Angehört» der Heilsarmee Schweiz. Vor dessen Lancierung 2016 gab es in der Deutschschweiz kein entsprechendes Angebot für Angehörige von Inhaftierten.

Beratungs- und Anlaufstelle für Angehörige Inhaftierter

«Angehört» – Beratungsstelle für Angehörige von Inhaftierten

Bei einer Festnahme werden oft Partner, Kinder, Geschwister, Eltern oder andere nahestehende Personen des Eingewiesenen vergessen. Aber auch sie sind mitbetroffen. «Angehört» unterstützt und begleitet Angehörige von inhaftierten Personen egal welcher Nationalität und Religionszugehörigkeit. «Angehört» ist eine neutrale Anlaufstelle für Fragen, Beratungen und Hilfestellungen. Das Hilfsangebot von «Angehört» ist ein Teil der Gefängnisarbeit der Heilsarmee Schweiz und besteht seit 2016. «Angehört» finanziert sich ausschliesslich durch Spendengelder und ist für die Betroffenen kostenlos.

Im «Angehört»-Forum, bei den persönlichen Treffen oder in der gemeinsamen Ferienwoche haben Betroffene die Möglichkeit sich austauschen. Sie können mit anderen Angehörigen Inhaftierter ihre Erfahrungen teilen und sich gegenseitig ermutigen. Ein wichtiger Aspekt, gerade für Personen, die sich erst seit kurzem in dieser Situation befinden und am Boden zerstört sind. Erhalten sie dann Verständnis von anderen Betroffenen und deren Zuspruch, dass es besser wird, hat das eine viel grössere Wirkung, als wenn das Aussenstehende äussern.

Das Kind im Fokus

Angel tree, Weihnachtsgeschenke für Kinder von Armutsbetroffenen
Angel tree, Weihnachtsgeschenke für Kinder von Armutsbetroffenen

Der Angel Tree erfüllt Kinderwünsche.

Zum Angebot gehört auch die Begleitung von Kindern bei Gefängnisbesuchen. «Wünscht beispielsweise die Mutter keinen Kontakt mehr zum inhaftierten Partner, begleiten wir die Kinder, damit sie dennoch Kontakt zum Vater halten können», erklärt Renate. Oft ist die Begleitung von Kindern auch angeordnet, da der Vater das Recht hat, seine Kinder zu sehen. Dazu Renate: «Dabei haben wir immer das Wohl des Kindes im Fokus. Wünscht es keinen Kontakt oder verweigert einen Besuch, vertreten wir die Interessen des Kindes.»

Ist der Hauptverdienende in Haft, ist Geld oft ein grosses Thema. Damit die Eltern, ihren Kindern ein Geschenk zu Weihnachten machen können, gibt es den «Angel Tree». «Angehört» fragt die Eltern nach den Wünschen ihrer Kinder. Diese werden dann den Organisatoren von «Angel Tree» weitergeleitet. Im Dezember findet ein Treffen mit den Angehörigen statt, wo die verpackten Geschenke den Müttern übergeben werden. Kindern von rund 30 Familien kann so eine Freude bereitet werden.

Angel Tree Kinderwünsche an Weihnachten
Angel Tree Kinderwünsche an Weihnachten

Stigmatisierung und Ausgrenzung

Nebst all ihren Sorgen und Ängsten, haben Angehörige von Inhaftierten auch immer wieder mit einer Stigmatisierung zu kämpfen. Sie werden für die Vergehen der Inhaftierten mit verurteilt und werden der Mitwisserschaft oder gar der Mittäterschaft bezichtigt. Als Folge erleben sie oft Ausgrenzung. Ein grosser Wunsch Angehöriger ist daher auch, als Mensch gesehen und behandelt zu werden und nicht als Komplizin oder Komplize.

«Ich setze mich dafür ein, dass Angehörige eine Stimme bekommen, sie ihre Rechte kennen und diese einfordern können.»

Renate Grossenbacher Leiterin, Angehört

Bei ihrer Arbeit erlebt Renate manchmal Schönes aber auch Trauriges: «Ein tragisches Schicksal, das mir begegnete, war eine Frau, die sich von ihrem Mann scheiden liess, der nach der Haft ausgeschafft wurde. Die Trennung erfolgte aus Vernunftsgründen, da sie in seinem Heimatland keine Zukunft hatte. Nur zwei Monate nach seiner Ausschaffung wurde er erschossen. Ein schwerer Schlag für Mutter und Kind. Aber ich erlebe auch immer wieder schöne Momente – gerade in der Ferienwoche oder bei der Kindesbegleitung. Zu sehen, wie sich die Kinder öffnen, wachsen und entwickeln ist immer wieder eine Freude.»

 

Weitere spannende Informationen zu unserer Arbeit finden Sie in unserem Magazin.

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