Symbolbild Schlüsselübergabe Heilsarmee Betreutes Wohnen Wohnbegleitung
Symbolbild Schlüsselübergabe Heilsarmee Betreutes Wohnen Wohnbegleitung

Housing First

Die Wohnung als Grundvoraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe.

Was ist Housing First?

«Housing First» ermöglicht wohnungslosen Personen und Menschen in prekären Wohnsituationen eine eigene Wohnung – ohne grosse Vorbedingungen.

Weshalb Housing First?

Im Gegensatz zu gängigen „Stufenmodellen“ müssen Teilnehmende von Housing First nicht erst ihre Wohnfähigkeit beweisen oder in Therapien einwilligen, sondern bekommen direkt eine eigene Wohnung und einen eigenen Mietvertrag. Alles weitere, wie Therapien oder Entzugsbehandlungen, kann die Person danach freiwillig aus der sicheren Unterkunft angehen.

Damit fällt gerade für obdachlose Menschen ein Stressfaktor im Alltag weg, da Ungewissheiten die Therapie nicht mehr beeinflussen: Wo schlafe ich heute Nacht, habe ich alles parat, um genug warm zu haben und sicher zu sein? Wo kann ich duschen und mich pflegen?

Dustin Peter, Teilnehmer Hilfsprogramm Housing First Basel

Housing First räumt auch weitere Hindernisse für Betroffene aus dem Weg. Das Vertrauensverhältnis zum Vermieter wird über den Anbieter, z. B. die Heilsarmee, aufgebaut. So müssen sich die Teilnehmenden nicht möglichen Vorverurteilungen bei der Wohnungsbewerbung aussetzen. Wer den Willen mitbringt, einen Mietvertrag einzugehen und die Wohnkosten mitzutragen, kann in Housing First Projekten mitmachen.

Sobald die Wohnung bezogen wurde, können Programmteilnehmende ihre Wohnfähigkeit direkt in den eigenen, sicheren vier Wänden verbessern. Die meisten nehmen zudem gerne die Unterstüzung der Wohnbegleitung Basel und den Projektverantwortlichen Sozialarbeitern von Housing First in Anspruch oder beginnen eine geeignete Therapie.

Kernprinzipien von Housing First

  • 1. Wohnen ist ein Menschenrecht
  • 2. Wahlfreiheit und Kontrolle als Teilnehmer
  • 3. Trennung von Wohnung und Behandlung
  • 4. Fokus auf Genesung
  • 5. Aktive Mitarbeit ohne Druck
  • 6. Personenzentrierte Planung
  • 7. Flexible Unterstützung so lange wie nötig
  • 8. Schadensminderung

Quelle: feantsa.org

Heilsarmee Projekt in Basel

2020 startete die Heilsarmee das erste Schweizer Pilotprojekt zu Housing First im Auftrag des Kantons Basel-Stadt. In Zusammenarbeit mit der städtischen Sozialhilfe werden dafür Wohnungen vermittelt. Flankierend dazu beraten und unterstützen Sozialarbeiter der Heilsarmee bei allen Fragen rund um die Themen Wohnung, Arbeit, Finanzen und persönliche Anliegen.

Teilnahmebedingungen

Teilnehmen können Volljährige, die seit mindestens 2 Jahren im Kanton BS angemeldet sind und lange Zeit obdach- oder wohnungslos waren. Wir richten uns in erster Linie an Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder Suchtproblematik und solche, die durch die bestehenden Angebote nicht erreicht werden konnten oder diese erfolglos durchlaufen haben. Teilnehmende äussern die Bereitschaft und den Willen, in Selbstverantwortung eine eigene Wohnung zu führen, ein eigenes Mietverhältnis einzugehen und die Finanzierung sicherzustellen. Diese wird über die Teilnehmenden via Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe ermöglicht.



Ziele

Verminderung von Obdach- und Wohnungslosigkeit

Dank der tiefen Voraussetzungen ermöglichen wir schneller ein eigenes, gesichertes und würdevolles Zuhause in Selbstbestimmung.

Wohnbetreuung sicherstellen

Die eigene Wohnung stellt nur den ersten Schritt in der Verbesserung der Lebensumstände dar. Wir erachten es als zentral, die Projektteilnehmenden individuell zu betreuen um so möglichst viele Probleme beim Wohnen zu verhindern.

Gewinnbringende Zusammenarbeit

Wir setzen auf Dialog mit den Behörden, Vermietern und Anwohnern. Damit Housing First gelingt, braucht es gute Sensibilisierungsarbeit im Umfeld.

Weiterentwicklung von Housing First

Beispiele von Housing First

In Europa wurden in mehreren Ländern Projekte zu Housing First gestartet. Wo, wie in Finnland, die Finanzierung staatlich gesichert wurde, war der Erfolg beachtlich. Deshalb starten viele Regierungen Housing First Projekte, um Erfahrungen zu sammeln. Die «European Federation of National Organizations working with the Homeless» (FEANTSA) hat 2016 eine Projektliste veröffentlicht, in welchem die Housing First Ansätze in Europa beschrieben werden.

Basel

Im Jahr 2018 hat das Stimmvolk des Kantons Basel-Stadt vier Wohninitiativen angenommen, unter anderem die Initiative „Recht auf Wohnen“. Daraus hat sich der Auftrag an den Kanton ergeben, ein Projekt zu Housing First zu lancieren. Die Sozialhilfe von Basel-Stadt hat dazu eine Ausschreibung gemacht; den Zuschlag hat die Heilsarmee erhalten und wurde mit der Umsetzung des Pilotprojekts beauftragt.

Zürich

Ein im Januar 2023 gestartetes, dreijähriges Pilotprojekt soll ausloten, wie gross das Potential für vermittelbare Wohnungen in Zürich - einem Platz mit hohen Wohnungsmangel - ist. Ausserdem sollen breite Erfahrungen mit dem Housing-First-Ansatz gesammelt werden. Dazu nutzt die Stadt bestehende Angebote und führt sie nach den Prinzipien von Housing First.

Bern

Der Verein «wohnenbern» betreut Personen in 80 Wohnungen, die teilweise nach den Prinzipien von Housing First betrieben werden. Noch ist aber der Verein Hauptmieter gegenüber den Vermietern. Ein wirkliches «Housing First Projekt» ist nicht geplant, viele Institutionen passen aber ihre betreuten Wohn-Angebote an. Die Heilsarmee in Bern führt seit 2023 eine wohnberatungsstelle, die helfen soll, eine eigene Wohnung zu finden.

Graubünden

Der Verein Oase wurde vom Kanton mit einem Housing First Projekt beauftragt, welches im August 2024 startete. Noch wurden nicht alle Wohnungen gefunden, die für das Projekt zur Verfügung stehen sollen. Die Wohnungsnot in Chur stellt auch für die Projektverantwortlichen eine Schwierigkeit dar.

Österreich

In drei Wohnhäusern sowie mit Housing First und betreutem Wohnen begleitet und berät "neunerhaus" jährlich mehr als 1000 ehemals obdach- und wohnungslose Menschen in Wien. Wer einmal eine Wohnung hat, kann sich dann viel besser seiner Suchtproblematik oder anderen psychischen Problemen widmen, sind die Neunerhaus-Geschäftsführenden überzeugt.

Deutschland

Gleich sechs Projekte wurden in Berlin gestartet, die jeweils auch die familiäre Situation oder Aspekte wie Geschlechteridentität berücksichtigen. Die Finanzierung wird über staatliche Zuwendungen des Bundeslands Berlin an private Projektträger gesichert. Im Jahr 2022 konnte so 90 Obdachlosen eine Wohnung vermittelt werden.

Finnland

Finnland gibt in Sachen Housing First den Takt vor: Bis 2025 soll in Helsinki, bis 2027 in ganz Finnland die Langzeit-Obdachlosigikeit verschwinden. Seit Jahrzehnten investiert der Staat in Bau, Erhalt und Ankauf von Tausenden Sozialwohnungen. Mehr als 8000 Apartments wurden in den vergangenen Jahren nur für Wohnungslose geschaffen, das Ende der Obdachlosigkeit ist seit über 15 Jahren gemeinsames Ziel aller Regierungen, von links wie von rechts. Allein in der Hauptstadt wurde die Zahl der Wohnungslosen von 2019 bis 2022 um mehr als 40 Prozent reduziert. Dabei gibt es aber auch gewisse Verhaltensregeln in den Gemeinschaftsräumen dieser Wohnungen.

Frankreich

Eines der grössten Housing First Projekte in Europa startete in Frankreich. Die Organisation "Un Chez-Soi d'abord" wurde in Lille, Paris, Toulouse und Marseilles unter der Leitung der "interministeriellen Körperschaft für nationale Obdachlosigkeitsstrategie" tätig. An diesem Grossprojekt nahmen über 705 obdachlose Menschen teil, wobei je die Hälfte die Housing First Dienstleistungen oder die bestehenden Obdachlosenprogramme nutzten, um Erfolge messen zu können. Diese war mit über 80% gehaltenen Mietverträgen nach 13 Monaten sehr hoch. Ab 2018 starteten in 15 weiteren französischen Städten Housing First Dienste.

Spanien

HÁBITAT Housing First startete im Jahr 2014 und stellte Wohnungen für 38 Menschen in Malaga, Barcelona und Madrid bereit. Auf der ökonomischen Ebene erzielte das Projekt HÁBITAT mit gleichen Kosten wie traditionelle Angebote in Spanien vergleichsweise bessere Resultate. Teilnehmer konnten ihre Wohnung länger halten, fühlten sich sicherer und waren zufriedener, da sie besser ihre Familienbeziehungen entwickeln konnten, als in gängigen Stufenmodellen.

Schweden

Im Gegensatz zu Dänemark, Finnland und Norwegen entwickelte Schweden bis 2015 kein nationales Housing First Programm. Jedoch startete auf lokaler Ebene bereits 2010 ein Projekt in Stockholm und Helsingborg. Drei Jahre später wurde das Projekt in Helsingborg auf unbestimmte Zeit weiter geführt und konnte Erfolg verzeichnen: 84% der Teilnehmer konnten in dieser Zeit ihre Wohnung halten.

Schottland

Glasgow startete 2010 eine NGO ein Housing First Projekt aufgrund steigender Todesfälle durch Drogenmissbrauch bei Erwachsenen. Finanziert und unterstützt wurde die NGO durch die städtische Regierung, die Polizei, die schottische Regierung, die nationale Gesundheitsbehörde sowie durch sozial denkende Vermieter.

England

Sowohl in Camden (London) und Newcastle-Upon-Tyne laufen seit 2015 erfolgreiche Projekte zur Wiedereingliederung mit Fokus auf Langzeit-Obdachlosen und psychisch kranken Menschen. Sie mussten sich dabei komplett auf privat gemietete Objekte abstützen, ohne den Vermietern Anreize bieten zu können. In einem sehr stark überhitzten Wohnungsmarkt wie London war das ein grosses Problem.

Die neusten Publikationen zu europäischen Housing First Projekten und Erkenntnissen hat die FEANTSA (Europäische Föderation nationaler Organisationen, die mit Obdachlosen arbeiten).

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Grenzen von Housing First Projekten

Housing First vereint viele gute Ansätze der personenbezogenen Hilfe. Im Mittelpunkt steht die betroffene Person und ihre Selbstbestimmung. Doch es gibt auch Kritikpunkte:

Strukturelle Obdachlosigkeit

Housing First funktioniert, wenn genügend freistehende Wohnungen existieren. Die aktuelle Wohnungsnot wird dadurch nicht behoben.

Keine Bedingungen?

Unangemeldete Personen und Sans-Papiers können meist nicht teilnehmen. 60% der Obdachlosen sind somit ausgeschlossen.

Mietkonkurrenz verschärft?

Wenn Organisationen mit Einzelpersonen mit wenig Einkommen um Wohnungen buhlen, kann Konkurrenz entstehen.

Weiterführende Artikel

Lesen Sie weiterführende Artikel zum Thema «Housing First».

Anteilnahme

Halte kurz inne und überlege dir: Wie kannst du mehr Interesse zeigen an den Schwierigkeiten im Leben deiner Nachbarn und Mitmenschen?

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