Von Kämpfern und Helfern

Stemmst du Gewichte – oder wie hältst du deinen Helfermuskel fit?

Ich halte meine Helfermuskeln fit durch freie Tage, Begegnungen mit meiner Familie und mit Freunden, durch gesunde Ernährung, gute Gespräche, Musik machen und hören und Boxen. Boxen ist viel mehr als nur ein Sport. Es ist eine Haltung. Durchhaltevermögen, Beständigkeit und konsequent bleiben gehören zum Boxen und auch zum Leben. Daher treffen wir uns heute auch hier in Pratteln, im Arnold Boxfit. Das ist der Boxclub von Arnold Gjergjaj, «The Cobra». Für mich ist das wie eine zweite Heimat. Ich halte meinen Helfermuskel also fit, indem ich schaue, dass es mir selbst auch gut geht.

Gutes tun tut Gutes: Was hältst du von dieser Aussage?

Mit «Gutes tun tut Gutes» bin ich einverstanden. Ich habe selbst eine grosse Krise erlebt. Bei mir wurde eine Depression diagnostiziert. Dass ich mich für andere Menschen einsetzen konnte, hat mir sehr geholfen. In diesen zwei Stunden habe ich jeweils nicht mehr an meine eigenen Probleme gedacht, sondern konnte andere Menschen ins Zentrum stellen. Das hat mir sehr geholfen. Alle haben davon profitiert.

Was hast du in diesen zwei Stunden gemacht?

Die Heilsarmee an der Frobenstrasse (Basel) bietet jeden Morgen einen Treffpunkt für Menschen, die es im Leben schwierig haben. Das sind zwei Stunden am Tag, wo ich freiwillig helfen konnte und mit diesen Menschen in Kontakt kam. Das hat mir geholfen.

Was waren das für Menschen?

Die damalige Klientel war mehrheitlich von Obdachlosen geprägt. Alleine die Tatsache, einen Ort zu haben, wo man sich von der Welt schützen und in Ruhe einen Kaffee trinken, etwas essen, duschen, Kleider waschen, ein Gespräch führen oder ein wenig fernsehen kann, bringt viel. Wenn jemand nichts hat, sind es solch kleine Dinge, die viel bewirken können.

Und wie hast du gemerkt, dass es dir gut tut, wenn du anderen Gutes tust?

Meine Depression hat mich sehr stark begrenzt und in Gefangenschaft genommen. Als ich mit anderen Menschen in Kontakt trat, die es auch schwierig hatten, merkte ich plötzlich, dass nicht mehr meine Probleme im Zentrum standen, sondern der Austausch und die Freude daran. Tag um Tag ging es mir besser. Ich fühlte mich befreiter. Und auf einmal war die Depression vorbei.

Warum sollte man sich für fremde Menschen einsetzen?

Wenn jeder nur für sich schaut, haben wir irgendwann keine Beziehungen, keine Gesellschaft mehr. Ich glaube, dass wir alle miteinander verbunden sind. Wir haben dieselbe Herkunft, wir stammen alle von Gott ab. Darum sind wir miteinander verbunden, selbst wenn wir das nicht realisieren. Wenn ich fremden Menschen begegne, begegne ich einem Teil von mir selbst. In anderen Kontexten und anderen Prägungen, aber ich bin überzeugt, dass wir alle von der gleichen Quelle stammen. Darum gibt es für mich keine fremden Leute.

Erzähl uns von einem prägenden Erlebnis, wo du selbst Hilfe bekommen hast.

Über viele Jahre habe ich behauptet, mein Leben im Griff zu haben. Ich war Selbstversorger, konnte alles haben, was ich brauchte. Irgendwann rutschte ich in eine tiefe Krise. Zuerst verlor ich meine Arbeit. Plötzlich hatte ich keine Mittel mehr für grundlegende Dinge. Es ging nicht um Luxus, sondern um Essen, Miete, oder die Krankenkasse. Damals bekam ich in der Kirche Unterstützung.

Welche Emotionen und Gefühle hattet ihr diesen Leuten gegenüber?

Als diese zwei Personen zu uns kamen, waren wir überwältigt von Emotionen. Aufgrund von Unsicherheiten in unserer Prägung, waren wir zuerst überfordert und wussten nicht, wie reagieren. Wieso sollte sich überhaupt jemand um uns kümmern? Aber wir waren sehr dankbar. Nicht misstrauisch einfach nur dankbar, dass diese Menschen sich Gedanken über unsere Situation gemacht hatten und uns ihre Hilfe anboten.

Deine drei Tipps, um auf sehr einfache Art anderen Gutes zu tun?

Mein erster Tipp, um anderen zu helfen, ist immer positiv zu bleiben. Allgemein: Man weiss nie, was ein Lächeln auswirkt. Aber man kann fast sicher sein, dass ein verschlossenes Gesicht sicher nicht gut ist. Mein zweiter Tipp: Dankbar sein. Wenn man dankbar ist, ist man auch sonst im Leben anders. Dankbar für das, was man hat, was man nicht hat, dass es uns gut geht. Das ist eine sehr wichtige Haltung. Dritter Tipp: Interessiere dich für Menschen. Frage nach, wer bist du, was brauchst du.

Heute machst du das selbst beruflich.

Mein Beruf besteht heute darin, Menschen zu helfen. Und das ist ein Vorrecht. Das ist nicht selbstverständlich, dass ich überhaupt für die Heilsarmee arbeiten und meine Energie für andere einsetzen darf. Das ist wirklich ein Geschenk. Ich freue mich sehr, dass ich das machen darf.

Was fasziniert dich daran?

Mich fasziniert, dass die Heilsarmee auf andere gerichtet und nicht selbstzentriert ist. Das ist meine Erfahrung bis heute. Die Heilsarmee stellt die Not der Menschheit ins Zentrum. Und dass wir alles Versuchen dürfen, um diese Not zu lindern.

Was bedeutet dir die Vorweihnachtszeit?

Weihnachten war immer eine sehr schwierige Zeit für mich. Mein Vater nahm die Feste jeweils als Ausrede, noch mehr Alkohol zu trinken. Das war so belastend, dass wir über Jahre keine Weihnachten feierten. Später merkte ich, dass ich etwas Schönes verpasst habe. Weihnachten ist für mich eine Zeit, wo ich an Gott denken darf. Ich merke auch, dass die Menschen offener sind für die Not anderer. Weihnachten ist Familienzeit und auch ein Moment, sich Menschen ohne Familie zuzuwenden. Darum freue ich mich heute auf Weihnachten.

Warum ist die Vorweihnachtszeit für das Engagement der Heilsarmee so wichtig?

Die Zeit ist für die Arbeit der Heilsarmee sehr wichtig, weil wir dann in der Öffentlichkeit in Kontakt mit den Menschen kommen dürfen. Die Leute sind draussen und kaufen ein. Wir dürfen sie daran erinnern, dass es andere Menschen vielleicht schwieriger haben. Ich glaube auch, dass die Gesellschaft in der Vorweihnachtszeit allgemein für die Not von anderen Menschen sehr offen ist.

Wenn sich andere in ihrem Leben mehr für Menschen in schwierigen Lagen engagieren möchten, was sollen sie tun? Wie beginnt man?

Wenn jemand anderen Menschen helfen möchte, muss er nicht in ein Trainingscamp gehen. Er muss achtsam sein, andere Menschen beobachten und versuchen zu verstehen, was sie brauchen. Und wenn dabei jemand überfordert ist und nicht genau weiss, wie er vorgehen soll, dann kann er sehr gerne zur Heilsarmee gehen und nach zusätzlicher Unterstützung fragen.
Oder man begegnet jemandem einfach mit einem Lächeln. Dafür braucht es kein Trainingscamp, sondern einfach eine positive Haltung.

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