Lucia Erni in ihrem Element: Menschen Gutes zu tun ist ihre Berufung.

Die Heilsarmee-Gemeinde in St. Gallen nah des Stiftsbezirkes ist eher klein, doch hat sie es in sich: Das Engagement der eingeschworenen Truppe von Mitarbeitenden und Freiwilligen ist beeindruckend. Nebst vielem anderen organisiert die Gemeinde jeden Freitag eine Lebensmittelabgabe für Familien. Heute sind wir dabei und staunen, wie das Team schwere Kisten rumschleppt und mit viel Ausdauer dafür sorgt, dass Menschen in Not Unterstützung erhalten.

Interview zwischen Lebensmittelkisten

Wir treffen Lucia zum Interview, doch ist sie so gefragt, dass wir das Gespräch einfach in ihren heutigen Tagesablauf einbauen und gleich live miterleben können, was sich da abspielt: Anlieferung verschiedenster Lebensmittel durch die Schweizer Tafel, Sortieren und Bereitstellen der Esswaren, die Menschen, die Lebensmittel beziehen, einweisen und die Reihenfolge auslosen, sowie schliesslich die Lebensmittel abgeben. Dazu gehört, dass sich das Team auch immer wieder Zeit nimmt zum Zuhören. Die Menschen haben meistens nicht nur ein Problem; es ist die Kumulierung von Schwierigkeiten, die in prekäre Situationen führt. Zwischendurch und während der Arbeit erzählt Lucia ein wenig von sich.

Am Schluss bleibt nie etwas übrig.

Lucias Mission: Menschen helfen

Lucia Erni ist seit sechs Jahren wieder in der Schweiz, nach 23 Jahren in Brasilien. Die Ostschweizerin erzählt von einem schwierigen Wiederanfang in der Schweiz, der Kulturschock war gross. Doch auch hier ist ihr Talent gefragt, Menschen beizustehen. Seit ihrer Rückkehr leitet sie die Heilsarmee-Gemeinde St. Gallen – mittlerweile in Co-Leitung mit Ruedi Odermatt. Dabei reisst sie immer wieder neue Projekte wie beispielsweise eine portugiesische Kleingruppe oder die Arbeit mit Frauen im Rotlichtmilieu an.

Nur die ausdauernde Arbeit von Freiwilligen ermöglicht die Lebensmittelabgabe für Bedürftige.

Zur Person - Wer ist Lucia Erni?

Lucia ist seit 33 Jahren Heilsarmee-Offizierin. Bereits als Kind hat sie davon geträumt, ihre Mission in Brasilien zu leben. Dieser Traum hat sich erfüllt. Nach der Leitung eines Sozialstandortes hat sie vielfältige Pionierarbeit geleistet. Als einzige weibliche Heilsarmee-Offizierin weit und breit baute sie während zehn Jahren eine Gemeinde und eine Kinderkrippe auf; danach kam für weitere zehn Jahre der Wiederaufbau eines Familienintegrationszentrum dazu. Mit ihrer unkomplizierten Art hat sie das Vertrauen der verarmten Bevölkerung gewonnen. Lucia gehört nicht zur ängstlichen Sorte Mensch: So liess sie sich zur Atemschutz-Geräteträgerin der örtlichen Feuerwehr ausbilden und war oft für Buschbrände im Einsatz. Ihr Engagement für die Ärmsten passte aber nicht allen und mündete in bewaffnete Überfälle, so dass sie im letzten Jahr in Brasilien mit Personenschutz unterwegs sein musste. Diese Spannung hat sie schliesslich dazu bewogen, in die Schweiz zurückzukehren.

Was tust du Gutes, um den Menschen zu dienen?

Die Entwurzelung, die Migrantinnen und Migranten erleben, habe ich selbst erlebt. Genau deshalb kann ich – durch das vertiefte Verständnis ihrer Situation –mit diesen Menschen zusammen gegen Vorurteile kämpfen. Migranten sind Menschen wie wir alle; ich stehe ein für Völkerverständigung. In meinen portugiesischen Hauskreis kommen Menschen aus Angola, Portugal und Brasilien, die über ihren – nicht immer einfachen – Alltag berichten. So können wir Integration vorwärtsbringen, indem ich ganz konkret unterstütze: Zusammen mit Ruedi Odermatt der Heilsarmee-Sozialberatung und weiteren Integrationsstellen helfe ich beim Ausfüllen von Formularen, beim Zugang zu Spitex oder Pro Senectute, beim Vermitteln von Arbeitsstellen oder Wohnungen, beim Knüpfen von Freundschaften usw.

Ich bin in der Region stark vernetzt mit Behörden, Kirchen und Organisationen zum Thema Migration. Die Zusammenarbeit mit den Freiwilligen funktioniert gut, auch hier ist das Integrierende zentral.

Weniger wegwerfen und Menschen in Not helfen: Genau den Werten der Heilsarmee entsprechend.

Was gibt die Arbeit dir zurück?

Die Sicht auf andere Menschen und ihre Situation ist für mich etwas ganz Wichtiges. Die eigene Sichtweise ist nur ein Teil der Realität. Das inspiriert mich laufend, um weiter zu denken und neue Ideen zu entwickeln. Ich muss dabei aber aufpassen, dass ich mich nicht überfordere. Aber ich bin meiner Meinung nach dafür auf der Welt, um Menschen zu unterstützen.

Was ist deine Motivation bei der Arbeit?

Für mich ist es ganz wichtig, nicht nur zu predigen, sondern durch Taten Veränderungen herbeizuführen. Dies ist bei der Heilsarmee möglich, was mich jeden Tag motiviert. Seit meiner Kindheit stehe ich für Gerechtigkeit ein, und hier kann ich etwas dafür tun. Barmherzig sein, Menschen nicht allein lassen, Trauernde trösten, aber auch sich mit Fröhlichen freuen, ist für mich zentral bei der Begleitung von Menschen.

Früher ging ich auf die Barrikaden – nicht nur sprichwörtlich –  für meine Werte, mittlerweile habe ich gemerkt, dass Reden und Schimpfen nichts bringt. Taten statt Worte, einmal mehr. Ich habe den Traum, dass Menschen einander respektieren und wir von Gott geleitet werden. Die Würde und Hoffnung, die wir weitergeben durch unsere Arbeit, kriegen wir auch zurück.

Danke Lucia, dass wir vieles von dir erfahren durften.
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