Lesedauer: 6 Minuten · 0 Kommentare
·Artikel teilen
«Ich stamme aus Venezuela. Mein Land durchlebt sehr schwierige Zeiten. Es fehlt an allem. Arbeitsplätze sind rar und die Armut hat rapide zugenommen. Die Menschen haben Angst und viele wollen das Land verlassen. Das ist aber nicht einfach, es kann sogar gefährlich werden.
Flucht vor der Hoffnungslosigkeit
Auch ich wollte mit meiner kleinen Familie das Land verlassen. Doch wir wurden betrogen: Statt des versprochenen Transports in eine Grenzstadt zu Brasilien wurden wir in einem Dorf ohne Anschlusstransport ausgesetzt. So machten wir uns zu Fuss auf in Richtung Grenze. Nach mehreren Stunden nahm uns endlich ein kleiner Transporter mit. Nach kurzer Zeit streikte der Motor
und wir mussten schieben. Dann begann es zu regnen und unser weniges Hab und Gut wurde nass und beschädigt. Am nächsten Tag fanden wir eine Mitfahrgelegenheit über die Grenze nach Pacaraima – der Grenzstadt in Brasilien. Doch der Fahrer verlangte einen viel höheren Betrag als abgemacht und so standen wir nun ohne Geld da. Aber wenigstens waren wir endlich angekommen.
Das Flüchtlingscamp Pacaraima war jedoch bereits übervoll. Für wenige Tage fanden wir Unterschlupf in einem kleinen Zelt. Als sich eine Mitfahrgelegenheit nach Boa Vista ergab, der nächsten grenznahen Kleinstadt, nutzten wir diese in der Hoffnung, dass es dort besser würde.
Obdachlosigkeit, Gewalt und Drogenmissbrauch
Doch es wurde noch schlimmer! Das Leben im überfüllten Flüchtlingslager war von Entbehrungen geprägt. Oft hatten wir den ganzen Tag nichts im Magen und mussten hungern. Um über die Runden zu kommen, sammelten wir Abfall oder anderes wiederverwertbares Material. Meine Familie hat bereits vieles erlebt wie Drogen- und Alkoholmissbrauch oder Gewalt. Aber die Zeit in den Camps war eine schreckliche Erfahrung, auf die wir nicht vorbereitet waren.
Eines Tages erfuhren wir von einem Mitarbeiter der Heilsarmee, wie sie sich für Flüchtlinge einsetzen und ihnen helfen. Wir wurden neugierig und beschlossen, die Heilsarmee in Boa Vista aufzusuchen. Den Empfang bei der Heilsarmee werde ich nie vergessen. Seit wir in Brasilien angekommen waren, hatte uns niemand so herzlich behandelt – obwohl wir müde, hungrig, dreckig und von der Sonne verbrannt waren. Der Psychologe Icaro offerierte uns Kaffee und erklärte uns, wie wir im Brückenprojekt «Pontes» mitmachen können. Am nächsten Tag besuchten wir das Zentrum der Heilsarmee. Wiederum wurden wir von allen herzlichst aufgenommen. Wir durften die Dusche benutzen, unsere Kleider waschen, man gab uns zu essen, wir durften an den Workshops teilnehmen und handwerkliche Tätigkeiten ausführen. Das tat so gut!
Vom Zelt auf der Strasse in das eigene Zuhause
Das Brückenprojekt der Heilsarmee lindert Obdachlosigkeit
Um die Not der Flüchtlinge zu lindern und ihnen einen Start in ein neues Leben zu ermöglichen, hat die Heilsarmee Brasilien 2019 das Brückenprojekt «Pontes» lanciert. Hier erhalten die Menschen Nahrung, psychologische Betreuung und Wertschätzung. Zudem bietet das Brückenprojekt verschiedene Aktivitäten und Weiterbildungen, hilft bei der Suche nach sauberen und trockenen Schlafplätzen und bei der Jobsuche und sorgt für hygienischere Massnahmen. So ermöglicht das Projekt Menschen wie Ysamar ein Leben in Selbstbestimmung, Würde und Hoffnung.
Weitere Projekte in Brasilien
Die Heilsarmee setzt neben dem Projekt "Pontes" noch weitere Projekte in Brasilien um, beispielsweise für Obdachlose. Besuchen Sie unsere Seite und lesen Sie die berührende Geschichte des obdachlosen Francisco.
Mehr erfahrenWeitere Artikel zum Thema Obdachlosigkeit
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lesen Sie mehr zum Thema Obdachlosigkeit.
Judith Nünlist
Artikel teilen
This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.