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Petra heute - zuversichtlich, motiviert und voller Lebensfreude

Zuversichtlich, motiviert und voller Lebensfreude – das ist Petra* heute. Doch das war nicht immer so. Mit ihren 27 Jahren blickt sie auf ein bewegtes Leben voller Demütigungen und Gewalt zurück.

Bereits die Kindheit und Jugend von Petra waren sehr schwierig. Ihr Stiefvater schlug und misshandelte sie regelmässig. Ihre Mutter schwieg. «Bei uns galt: was zuhause passiert, bleibt auch zuhause», erklärt Petra. Auch echte Liebe erfuhr sie nie: «Ich war meistens allein mit meinen Ängsten und Sorgen.» Ihre schulischen Leistungen litten unter der Situation. Ohne entsprechende Schulbildung und Unterstützung, war ihr Traumberuf Anwältin unerreichbar für sie.

Flucht vor der Familie

Petra wollte nur noch weg – weg von ihrer Familie, weg von diesem Leben. Der Anruf einer Freundin aus Deutschland war da wie ein Befreiungsschlag. Dass ihre Freundin als Prostituierte arbeitete, wusste Petra. Ihre Erzählungen von dem Leben dort waren dennoch verlockend.

 

«Ich war 18 Jahre alt, einsam, verzweifelt und bereit, jede Chance zu nutzen, um meinem Leben voller Gewalt zu entfliehen.»

Petra

Petra verliess ihr Elternhaus und ihr Heimatland Ungarn mit der Überzeugung, dass nun ihr eigenes Leben beginnt. Sie sah sich viel Geld verdienen, unbekannte Länder bereisen und ein selbstbestimmtes Leben führen. «Im Nachhinein weiss ich, dass das naiv war. Ich wurde schnell eines Besseren belehrt», führt Petra aus.

Ein Leben in der Prostitution

Petra hat nie in Bars gearbeitet, sondern immer auf der Strasse. Das ist sehr gefährlich. Sie hat vieles gesehen und erlebt – Raub, Betrug, Misshandlung und rohe Gewalt. «Als Prostituierte bist du der Situation meist schutzlos ausgeliefert. So wurde ich einmal nach dem Akt von einem Taxichauffeur mitten im nirgendwo nackt aus dem Fahrzeug geworfen, weil er nicht bezahlen wollte. Und das ist eines der harmloseren Beispiele», erzählt Petra traurig.

Nach kurzer Zeit in diesem Gewerbe, spürte sich Petra als Mensch nicht mehr. Ohne Freunde und gezeichnet durch das Erlebte, war sie wieder allein mit ihren Ängsten und Sorgen. Die täglichen Grausamkeiten konnte Petra jedoch nicht länger ignorieren. Sie verliess ihren Zuhälter und floh ein weiteres Mal. So kam Petra nach Basel. «Ein ‹normales› Leben kannte ich nicht. Nichts war bisher in meinem Leben normal gewesen und ich sah keine andere Perspektive», erklärt sie. So arbeitete Petra weiter als Prostituierte auf den Strassen von Basel.

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Nach kurzer Zeit in diesem Gewerbe, spürte sich Petra als Mensch nicht mehr.

Der Ausstieg

Bereits seit längerem schlummerte in Petra der Wunsch, aus der Prostitution auszusteigen: «Ich hatte jedoch grosse Angst und mir fehlte die Kraft, das allein zu schaffen.» Eines Abends besuchte sie das Nachtcafé von Rahab. So lernte sie Vlatka, die Leiterin von Rahab Basel, kennen. «Von Beginn an wusste ich, dass ich ihr vertrauen kann. Noch blockierte mich aber die Angst, den nächsten Schritt zu wagen», führt Petra aus. Ungefähr einen Monat nach dem ersten Kennenlernen war der Moment gekommen: Petra nahm all ihren Mut zusammen und wandte sich mit einem Hilferuf an Vlatka: «Ich bat sie, mich aus dieser Hölle zu retten. Sie antwortete mir, dass sie wie eine Löwin um mich kämpfen werde und wir es gemeinsam schaffen werden. So begann mein Ausstieg.»

Rahab Basel
Rahab Basel

Bereits seit längerem schlummerte in Petra der Wunsch, aus der Prostitution auszusteigen. So lernte sie Vlatka, die Leiterin von Rahab Basel, kennen.

«Endlich sah ich eine Chance. Endlich war ich nicht mehr allein. Ich hatte immer noch grosse Angst vor einem neuen Leben. Aber Vlatka hatte immer Zeit für mich, gab mir Kraft und ist mir bis heute eine grosse Stütze.»

Petra

Rahab bezahlte für fünf Tage Petras Zimmermiete. So musste sie sich nicht mehr anbieten und konnte ein paar Tage wegfahren. Das war der erste Schritt weg von der Prostitution. «Ich wollte am liebsten gleich alles. Ich wünschte mir, mit einem Fingerschnippen alles erledigen zu können und endlich in mein neues Leben zu starten», erzählt Petra. Aber sie war immer noch zwischen ihrem alten und ihrem neuen Leben gefangen. Durch die enge Vernetzung mit anderen Einrichtungen konnte Petra bald eine Stelle im Brockino, einer kleinen Brockenstube der Heilsarmee, antreten, verdiente Geld und konnte sich so endgültig von der Prostitution lösen. Inzwischen wohnt sie in der Notwohnung von Rahab.

Der Weg in ein neues Leben

Petra hat ihre Haare und Kleider verändert und ein neues Leben angefangen: «Ich bin daran, mich von altem Ballast zu befreien und meine Verletzungen zu heilen. Trotz allem Positiven lassen mich die Erfahrungen der Vergangenheit manchmal verzweifeln.» Wenn Petra Zweifel kommen und sie von ihren Traumata übermannt wird, sind ihre Arbeitsstelle und die Menschen um sie herum ihr eine wertvolle Stütze.

Trotz allen Herausforderungen und Widrigkeiten blickt Petra zuversichtlich in die Zukunft. «Ich will unbedingt die Ausbildung zur Kleiderverkäuferin machen und mir ein eigenes Leben aufbauen, über das ich bestimme. Vielleicht auch mal ein Auto oder eine eigene Wohnung besitzen und reisen. Irgendwann möchte ich eine Familie», führt sie mit einem Lächeln aus. Petra ist für die erhaltene Hilfe sehr dankbar: «Allein hätte ich den Ausstieg nicht geschafft.» Mit ihrer Geschichte möchte Petra anderen Frauen im Sexgewerbe Mut machen, ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind und dass ein Ausstieg möglich ist: «Ich will mich auch für Frauen in der Prostitution einsetzen. Ihnen zeigen, dass es eine Chance gibt, dass man es schaffen kann, auch wenn es Kraft braucht. Ihnen zeigen, dass ein Ausstieg machbar ist – aber nur mit Hilfe.»

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Rahab unterstützt Menschen in der Prostitution

Rahab – Unterstützung für Menschen in der Prostitution

Rahab nennt sich die Arbeit der Heilsarmee unter Menschen in der Prostitution. In der Schweiz engagiert sich die Heilsarmee seit mehreren Jahren in Basel, Bern und Zürich für Menschen in der  Prostitution. In einer Welt, in der sie viel Ausgrenzung und Isolation erleben, wollen wir ihnen mit Wertschätzung begegnen und ihnen durch Beratung und konkreter Hilfeleistung Unterstützung anbieten. Wir sind unterwegs für Menschen und setzen uns ein für mehr Gerechtigkeit, Hoffnung und Liebe.

Die aufsuchende Sozialarbeit im Rotlichtmilieu hat eine lange Tradition in der Heilsarmee. Bereits 1884 wurde in England ein erstes Haus für Frauen in der Prostitution eingerichtet. Auch in der Schweiz engagiert sich die Heilsarmee seit Jahren in Basel, Bern, Zürich und neu auch in der Westschweiz für Menschen in der Prostitution. Rahab, die aufsuchende Arbeit der Heilsarmee im Rotlichtmilieu, begibt sich zu diesen Menschen, sucht das Gespräch, hört zu, berät und unterstützt beim Ausstieg.

«Ich will mich auch für Frauen in der Prostitution einsetzen. Ihnen zeigen, dass es eine Chance gibt, dass man es schaffen kann, auch wenn es Kraft braucht. Ihnen zeigen, dass ein Ausstieg machbar ist – aber nur mit Hilfe.»

Petra

* Zum Schutz der Privatsphäre wurde der Name geändert und eine andere Person abgebildet.

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  • gina böni

    Vielen dank für Ihre arbeit, vielen dank auch an RAHAB. Petras geschichte hat mich erschüttert, aber auch sehr gefreut. Auch ihr wünsche ich weiterhin viel kraft um ihren neuen weg fortzusetzen, und auch um ihre träume zu verwirklichen. Eine in Ungarn lebende Schweizerin, die u.a. auch berufshalber ähnliche schicksale mitverfolgte.

    • Judith Nünlist, Heilsarmee

      Vielen herzlichen Dank für Ihre Nachricht. Sehr gern leite ich Ihren Dank und Ihre guten Wünsche an RAHAB und Petra weiter. Darf ich fragen, in welcher Art Sie sich in Ungarn engagiert haben? Herzliche Grüsse und alles Gute, Judith Nünlist, Heilsarmee

  • Domenica Ott

    Wenn Petras Geschichte wirklich echt und wahr ist (heute kann man ja in Bezug auf fake Berichte u.ä. kaum wem mehr trauen – hoffentlich der Heilsarmee doch noch?), ist sie ermutigend und wohltuend auch für Leserinnen. Ich wünsche mir, dass ihr, dass die Heilsarmee solche wertvolle Arbeit weiterführen kann, viel Segen euch!

    • Judith Nünlist, Heilsarmee

      Liebe Frau Ott, vielen Dank für Ihre Nachricht. Sie können uns vertrauen, die Geschichte von Petra ist wahr. Der Name und die Bilder wurden anonymisiert, um die Geschichtengeberin zu schützen und ihr einen unbelasteten Weg in ihre Zukunft zu ermöglichen. Herzlichen Gruss

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