Lesedauer: 6 Minuten · 0 Kommentare
·Artikel teilen
Mit der Auswanderung nach Tschechien erfüllte sich das Ehepaar Siegenthaler einen lang gehegten Wunsch. Dann starb ihr geliebter Mann und Therese Siegenthaler (63) verlor den Halt im Leben. Gesundheitlich angeschlagen und mittellos kehrte sie zurück in die Schweiz. Wie sie es schaffte, sich mit der Unterstützung der Heilsarmee in Biel wieder zu stabilisieren und neuen Mut zu fassen, erzählt sie selbst:
Ein neues Leben
«Mein Mann träumte schon lange von einem Leben in Tschechien. In zahlreichen Ferienaufenthalten hatten wir das Land lieben gelernt und Freunde gefunden. Dann verloren wir beide aus gesundheitlichen Gründen unsere Arbeitsstellen. Unser Sohn war inzwischen erwachsen und selbstständig. So setzten wir unseren Plan in die Tat um und bauten uns in Tschechien ein neues Leben auf.
Wir liessen uns in einem Dorf grenznah zu Deutschland nieder. Daher gab es auch viele Deutschsprachige, was mir sehr entgegenkam, da ich die Sprache kaum beherrschte. Der Anmeldeprozess war eine langwierige Angelegenheit. Hätte uns nicht ein Freund meines Mannes dabei unterstützt, hätten wir es wohl nicht geschafft. Nach diesem etwas holprigen Start konnten wir dann aber unser neues Leben in vollen Zügen geniessen.
Sind wir nicht gereist, und gab es nichts im Garten zu werkeln, genoss ich ausgedehnte Spaziergänge in der angrenzenden Natur. Auf meine Erkundungstouren in der Umgebung konnte mich mein Mann aufgrund seines Gesundheitszustands nur selten begleiten. Beim Gehen hatte er starke Schmerzen und selbst das Stehen fiel ihm schwer. Seine Verfassung verschlechterte sich zusehends. Er nahm stark ab und wurde immer schwächer. Als ich eines Tages vom Einkaufen zurückkam, fand ich ihn tot auf dem Boden liegend.
«Die Sozialberatung half und hilft mir noch immer bei administrativen Angelegenheiten.»
Verlust, Ängste und Rückkehr
Ab diesem Zeitpunkt änderte sich alles. Einen Tag nach dem Tod meines Mannes wurde infolge der Pandemie die Grenze zu Deutschland geschlossen. Aufgrund der Ausgangssperre durfte auch sonst niemand an der Beerdigung teilnehmen. Ich war ganz auf mich allein gestellt. Ich hatte nie richtig Tschechisch gelernt, was ich nun bereute. Mit all den Briefen und wichtigen Dokumenten war ich überfordert.
Zudem waren die Ämter als Folge der Pandemie zeitweise geschlossen und ich konnte wichtige Unterlagen nicht besorgen. Das führte dazu, dass ich die Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte, da diese auf den Namen meines Mannes lauteten und ich nicht beweisen konnte, dass wir verheiratet waren. Ich war verunsichert, begann, unter Panikattacken zu leiden, und fiel in eine Depression. Ich traute mich kaum mehr, das Haus zu verlassen, und isolierte mich mehr und mehr. Ich war am Ende meiner Kräfte und verlor den Boden unter den Füssen. Gut ein Jahr nach dem Tod meines Mannes holte mich mein Bruder nach einem Hilferuf meinerseits zurück in die Schweiz. Bis auf wenige Habseligkeiten liess ich alles zurück. Ich nahm nur drei Taschen mit Kleidern und den wichtigsten Dokumenten mit. Ich wollte nur noch weg.
Der Weg zur Heilsarmee
Mein Bruder nahm mich vorübergehend bei sich auf. Dank seiner Bekanntschaft mit einer Mitarbeiterin der Sozialberatung kam ich in Kontakt mit der Heilsarmee in Biel. Ich hatte Tschechien fluchtartig verlassen und alles ungeklärt zurückgelassen. Ich war mit der Situation komplett überfordert und gesundheitlich angeschlagen.
Aufgrund meines Gesundheitszustands fürchtete ich, dass ich plötzlich auf Hilfe angewiesen sein könnte. Daher war ich auf der Suche nach einer Alterswohnung. Die Sozialberatung vermittelte mich ans Passantenheim, wo ich vorübergehend einen sicheren Zufluchtsort fand. Während meines sechsmonatigen Aufenthalts konnte ich mich von den vergangenen Strapazen erholen und einen grossen Teil meiner Angelegenheiten regeln.
Ein neues Zuhause
Die Heilsarmee half mir auch dabei, hier wieder Fuss zu fassen. Dank der Unterstützung der Sozialberatung konnte ich in eine Alterswohnung mit einem 24-Stunden-Notfall ziehen. Hier fühle ich mich sicher. Ich geniesse die Zeit zu Hause mit einem guten Buch und auch die Besuche und Ausflüge mit meinem Bruder oder einer guten Freundin. Zudem habe ich in der Alterssiedlung eine Gruppe gefunden, in der wir gemeinsam spielen, uns Geschichten von früher erzählen und zusammen gelegentlich etwas unternehmen.
Auch wenn ich ab und zu immer noch unter Angstzuständen leide, geht es mir im Allgemeinen viel besser. Ich lebe viel bewusster, erfreue mich an kleinen Dingen und versuche, positiv zu denken. Wichtig ist, dass man nicht aufgibt und immer versucht, das Beste aus der Situation zu machen.»
Unterkunft für wohnungs- und obdachbedürftige Menschen
Im Passantenheim Biel finden in Wohn-Not geratene Menschen ein vorübergehendes Zuhause für maximal sechs Monate. Die Einrichtung verfügt über insgesamt 25 Plätze und richtet sich an wohnungs- und obdachbedürftige Frauen und Männer ab 18 Jahren.