Susan IN0824 Heilsarmee Reinach Armut
Susan IN0824 Heilsarmee Reinach Armut

Die Gemeinschaft der Heilsarmee gibt Susan Kraft.

Obwohl es Susan (53) in ihrer Kindheit nicht immer leicht hatte, fand sie schnell ihren Weg und war glücklich. Bis ein tragischer Unfall ihr Leben komplett änderte. Wie sie nach einem jahrzehntelangen einsamen Kampf bei der Heilsarmee in Reinach (AG) wieder Gemeinschaft und Halt fand, erzählt sie selbst:

«Hatte mein Vater schlechte Laune, bekamen wir das zu spüren. Das war im Dorf bekannt und viele Eltern verboten ihren Kindern zu uns zu kommen. So hatte ich nur wenige Freunde. Ich lernte bereits früh, für mich selbst einzustehen und aus eigener Kraft zu erreichen, was ich mir wünschte.

Erfolgreicher Start ins Berufsleben

Als Jugendliche wuchs in mir der Wunsch, zu modeln und bekannt zu werden. So besuchte ich eine Fotomodel- und Mannequinschule. Dank meines selbstbewussten Auftretens war ich mit knapp 15 Jahren bereits erfolgreich im Modebusiness und hatte Verträge mit verschiedenen namhaften Modehäusern. Nach Abschluss meiner Lehre, bereiste ich die Welt. Ich war jung, ging über die Laufstege der grossen Modelabels, hatte eine Nebenrolle in einem Spielfilm mit Ornella Muti und verdiente gut. In der Zeit habe ich so vieles gesehen und erlebt – darüber könnte ich ein Buch schreiben!

Nach einigen Jahren gab ich das Model-Dasein auf. Durch Zufall rutschte ich während eines Urlaubs in Miami in die Immobilienbranche und war auch da rasch sehr erfolgreich. Nachdem mich der Besitzer der Immobilienfirma jedoch massiv sexuell bedrängte, beendete ich meinen Aufenthalt in Miami umgehend.

Zwischenzeitlich hatten sich meine Eltern scheiden lassen. Gemeinsam waren sie nicht glücklich gewesen, was – wie ich heute weiss – tiefe Unzufriedenheit in meinem Vater auslöste und sich in Frust äusserte. Nach der Scheidung lernte ich meine Eltern neu kennen. Meine Mutter, nun auf sich allein gestellt, lernte schnell für sich selbst einzustehen. Mein Vater lernte eine andere Frau kennen. Mit ihr wurde er wirklich glücklich und veränderte sich zum Positiven. Gemeinsam führten er und meine Stiefmutter auf Mallorca erfolgreich ein Restaurant.

Bevor ich als Model die Welt bereiste, hatte ich eine Ausbildung zur Servicefachangestellten abgeschlossen. Trotz unserer Differenzen liebte ich meinen inzwischen leider verstorbenen Vater. So entschied ich, ihm in der Hauptsaison zu helfen. Am Ende blieb ich ungefähr zwei Jahre.

Beruflicher Neuanfang und Kinderwunsch

Zurück in der Schweiz, wagte ich einen beruflichen Neuanfang als Ausbildnerin für die Coaches bei einer Partnervermittlung. Wieder verdiente ich sehr gut. Ich war euphorisch, arbeitete sieben Tage die Woche – und übernahm mich dabei komplett. Nach einigen Jahren realisierte ich, dass es so nicht weitergehen konnte, und gab die Stelle auf.»

«Dann kam die Zeit, in der ich gern Kinder gehabt hätte. Es war mir wichtig gewesen, zuerst unabhängig zu werden und für mich selbst aufkommen zu können, bevor ich eine Familie gründen wollte. Inzwischen hatte ich viel erlebt und erreicht und so auch viel zu geben. Doch ohne Partner blieb mein Wunsch unerfüllt.»

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Ein Unfall ändert alles

«Das war eine grosse Enttäuschung. Doch ich hatte bereits als Kind gelernt, Rückschläge hinzunehmen, mich neu zu orientieren und weiterzugehen. So genoss ich mein Leben, wie es war. Ich hatte genug Ersparnisse, arbeitete im Service und trainierte viel. Eines Tages stand ich auf der Autobahn am Stauende, als ein Auto ungebremst auf mich auffuhr. Ich erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, Wirbelsäulenquetschungen und weitere schwerwiegende Verletzungen. Das war’s mit meinem bisherigen Leben: Ich verbrachte zwei Jahre im Spital und musste wieder lesen und schreiben lernen. Auch meine Konzentrationsfähigkeit hatte gelitten und ich musste mich komplett neu kennenlernen. Ein grosser Teil der physischen wie psychischen Kraft, über die ich einst verfügte, ging dadurch für immer verloren.

Da ich als Kind keine Freunde hatte und jahrelang die Welt bereiste, hatte ich auch nie gelernt, Freundschaften zu pflegen. So war ich plötzlich komplett auf mich allein gestellt. Als ich aus dem Spital kam, lagerte meine gesamte Wohnungseinrichtung im Keller des Wohnhauses. Die Post stapelte sich in einer grossen Kiste. Da war niemand, der während meiner Abwesenheit meine Rechnungen bezahlte oder zu meiner Wohnung schaute. Die war unterdessen wieder vermietet worden. Die nächsten neun Jahre waren ein ständiges Auf und Ab. Dann erhielt ich endlich eine IV-Rente.

Die Abwärtsspirale dreht sich weiter

Mein Traum war schon immer ein Bauernhof mit Tieren. Grenznah in Deutschland fand ich einen geeigneten Hof. Zeitweise lebten bis zu 90 Tiere bei mir – vom asiatischen Seidenhuhn bis zum 1000 Kilogramm schweren Tinker (Pferderasse). Die Kinder aus dem Dorf verbrachten ihre Freizeit mit Vorliebe bei mir auf dem Hof und kümmerten sich mit Hingabe um die verschiedenen Tiere. Ein Gewinn für alle: Ich hatte Hilfe und die Kinder lernten den verantwortungsbewussten Umgang mit Tieren.

Es war eine glückliche Zeit, bis ich eines Abends übermüdet am Steuer einschlief. Die Feuerwehr musste mich aus dem Auto schneiden. Ich hatte mehrere gebrochene Brustwirbel. Danach ging es körperlich stark bergab und mein Traum begann zu zerbrechen. Zudem hatte die IV aufgrund meines Engagements auf dem Hof entschieden, dass ich wieder eingliederungsfähig sei, und alle Zahlungen eingestellt.»

Susan traurig
Susan traurig

«Bei allem, was ich erlebt habe oder was mir widerfahren ist – noch nie ging es mir so schlecht wie seit dieser Zeit.»

Susan

«Wieder verlor ich alles. Meine Welt brach zusammen. Ich war am Ende meiner Kräfte und begann zu trinken. Ich kehrte zurück in die Schweiz – wohnungslos und ohne Geld. Meine Ersparnisse waren längst aufgebraucht. Arbeiten konnte ich wegen meiner physischen Beschwerden nicht mehr und ohne Arbeit keine Wohnung und ohne Meldeadresse keine Unterstützung. Gut ein halbes Jahr war ich obdachlos und lebte in meinem Kleinwagen. Mit drei grossen Hunden und drei Katzen eine Wohnung zu finden, war sehr schwer. Endlich fand ich eine. Nach einiger Zeit erhielt ich auch wieder eine IV-Rente und Ergänzungsleistungen. Etwas später zog ich zusammen mit meinem damaligen Freund in eine grössere Wohnung.

Die Heilsarmee als Gemeinschaft

Als ich mich in der neuen Gemeinde anmeldete, wurde mir mitgeteilt, dass die Wohnung zu teuer sei und ich daher keinen Anspruch auf Sozialleistungen hätte. Wieder war ich am Boden zerstört.  Der Alkohol war weiter ein Problem. Ich hatte mehrere erfolglose Entzüge hinter mir. Hinzu kam, dass mein Freund sexuell übergriffig wurde, wenn er betrunken war. Wehrte ich mich, schlug er mich spitalreif. Nach dem dritten Vorfall wurde er in einen Zwangsentzug eingewiesen.

Ich war allein mit meinen Problemen. Ich zog in eine kleinere Wohnung, schaffte es aus eigener Kraft, mit dem Trinken aufzuhören und fand heraus, dass man bei der Heilsarmee in Reinach Lebensmittel erhalten konnte. Für jemanden wie mich, der am Existenzminimum lebt, eine wertvolle Hilfe, um über die Runden zu kommen. Dafür war ich so dankbar, dass ich mich erkenntlich zeigen wollte. Ich meldete mich als Freiwillige und kam so in engen Kontakt mit der Heilsarmee.»

Freiwilligenarbeit als Bereicherung

Susan – Lebensmittelabgabe
Susan – Lebensmittelabgabe

«Ob bei der Lebensmittelabgabe, im Restaurant, beim BabySong oder beim Putzen – ich half überall mit. Zum ersten Mal erlebte ich Gemeinschaft. Ich war nicht mehr allein und fühlte mich bestärkt, da ich wieder Teil der Gesellschaft war.»

Durch zahlreiche Gespräche lernte ich viel Neues. Ich durfte auch meine Sichtweise auf Gott ändern und fand näher zu ihm. Eine wertvolle Bereicherung meines Lebens. Die Sozialberatung der Heilsarmee unterstützte mich zudem und endlich ging es aufwärts. Leider musste ich mein Engagement wegen meiner körperlichen Beschwerden inzwischen beenden und werde es auch nicht wieder aufnehmen können. Vor kurzem habe ich ausserdem innert wenigen Wochen meinen Bruder und meinen Vater verloren. Die Trauer ist noch immer überwältigend. Zudem begleitet mich seither die quälende Angst, meine Mutter auch bald verlieren zu können. Teil der Heilsarmee-Gemeinschaft zu sein, fehlt mir sehr – aber ich weiss, dass ich immer willkommen bin.»

«Meine beiden Hunde sind eine wichtige Stütze in meinem Leben.»

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  • Domenica Ott

    Eine bewegende Geschichte, ich möchte wissen wies weiter ging und ich wünsche Susan, dass sie wieder in der Heilsarmee-Gemeinschaft mitmachen kann. Eine gute homöopathische Konstitutionsbehandlung könnte ihr helfen, ihre Lebenskraft wieder zu finden. Ich wünsche ihr viel Segen!

Soziale Angebote für Menschen in Not

Ob Lebensmittelabgaben, günstige Mittagsmenüs für Familien oder ein kurzfristiges Dach über dem Kopf – die Angebote der Stiftung Heilsarmee Schweiz lindern die Not von Menschen in schwierigen Situationen.

Rudolf Odermatt, St.Gallen
Rudolf Odermatt, St.Gallen

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