Offene Ohren Heilsarmee Sozialarbeit
Offene Ohren Heilsarmee Sozialarbeit

Katharina Schaufelberger im Gespräch mit einer Betroffenen.

Die Mieten steigen, die Löhne stagnieren. Kommen nun gravierende Veränderungen der Lebensumstände hinzu, wie das Wegbrechen eines Einkommens oder eine Trennung, können diese schnell zum Verlust der Wohnung führen. Für finanziell schwächer aufgestellte Menschen wird die Wohnungssuche dann zum Spiessrutenlauf. Dies erfährt auch Katharina Schaufelberger bei ihrer täglichen Arbeit immer wieder. Seit anfangs 2018 leitet sie die Heilsarmee-Gemeinde in Wädenswil. Für Menschen, die durch eine Notlage kurzfristig obdachlos werden, bietet der Standort mit dem Angebot des Sozialzimmers vorübergehend einen Zufluchtsort.

Immer weniger Menschen können sich eine Wohnung leisten

Allgemein stellt Katharina fest, dass immer mehr Menschen aus finanziellen Gründen in eine schwierige Situation geraten und ihre Wohnung verlieren: «Meist ist es das Zusammenspiel einiger Faktoren, die dazu führen, dass jemand den Halt im Leben verliert. Das können physische und psychische Gründe sein, wie z. B. ein Unfall oder plötzlich auftretende Ängste, die dann zu Arbeitsunfähigkeit und Jobverlust führen. Aber auch Trennungen (gerade in Familien), wo der eine Partner geht und alles Geld mitnimmt, können zu einer Notsituation führen. Ganz allein mit den Kindern und mit einem fehlenden Einkommen kann die finanzielle Situation schnell kritisch werden. Bis dann die Hilfe vom Sozialstaat kommt oder die IV-Abklärungen gelaufen sind, haben diese Menschen einfach nichts. Sie müssen warten bis die Bürokratie erledigt ist und niemand hilft in dieser Zeit.»

Obdachlos in der Schweiz

Bei ihrer Tätigkeit erlebt Katharina auch immer wieder, dass sich die Menschen, die bei ihr Zuflucht suchen, für ihre Situation schämen – obwohl sie oftmals nichts dafürkönnen: «Scham ist sicher ein grosses Problem aber auch die Angst abhängig zu werden. Viele wollen diese Abhängigkeit nicht und entscheiden sich daher gegen Sozialhilfe, teilweise aber auch, weil ihre bisherigen Erfahrungen mit dem Sozialamt nicht die Besten waren.» Katharina weiss, dass den Ämtern oft die Hände gebunden sind und sie daher keine schnelle und unkomplizierte Hilfe leisten können. Bis die Unterstützung die Menschen erreicht, kann es zu lange dauern. Gerade kürzlich erst wieder sagte ihr eine Betroffene im Gespräch: «Ich brauche jetzt eine Lösung und nicht in ein paar Jahren!» Die finanziell schwierige Situation führt so oft zur Verschuldung. «Schulden zählen ebenfalls zu den Gründen, weshalb Menschen ihre Wohnung verlieren», weiss Katharina aus Erfahrung.

Ein obdachloser Mensch unterwegs auf der Strasse.
Ein obdachloser Mensch unterwegs auf der Strasse.

«DEN Obdachlosen oder DIE Obdachlose gibt es nicht! Obdachlosigkeit kann jede/n treffen – von ganz jung, bis zu älteren Menschen, von Singles über Frauen mit Kindern oder Familien.»

Katharina Schaufelberger

Das Sozialzimmer – ein Ort der Ruhe in der Not

Das Sozialzimmer in Wädenswil ist als Übergangslösung gedacht. In Notsituationen finden Betroffene hier eine Unterkunft und auch aktive Hilfe, um ihre aktuelle Situation zu verbessern. Das Angebot der Sozialberatung ist freiwillig. Den Betroffenen ist es freigestellt, ob und inwieweit sie Hilfe in Anspruch nehmen möchten.

«Viele, die bei uns ankommen, stehen unter grossem Stress. Das Wissen, dass sie nun an einem Ort sind, wo sie einfach mal sein können, bringt meist bereits eine enorme Entlastung und viel Ruhe. Das hilft, dass nach ein paar Tagen die Möglichkeit besteht, sich hinzusetzen und zu schauen, was die Person braucht oder wo die Probleme liegen. Die einen wollen sich mitteilen, die anderen weniger. In der Regel braucht es einen Moment, in dem die Menschen ankommen können, sich neu sortieren können, vielleicht auch mit einigen Dingen abschliessen können und dann zu schauen, welche Möglichkeiten sich bieten», erklärt Katharina.

Akzeptanz, niederschwellige Angebote und bezahlbarer Wohnraum

In erster Linie braucht es mehr Akzeptanz. Dazu Katharina: «Ich würde mir wünschen, dass die Menschen einfach mal grundsätzlich so angenommen werden, wie sie sind. Und nicht schon fragend und urteilend. Einfach auf Augenhöhe begegnen und einfach da sein – ohne zu fordern, ohne zu erwarten. So wie wir jedem begegnen sollten. Und dann schauen, was passiert. Auch dass wir bereit sind, die Not anderer wirklich zu sehen. Eine kleine Aufmerksamkeit kann betroffenen Personen ein Stückchen Würde zurückgeben, die sie auch verdient haben.»

Weiter ist es wichtig, dass mehr niederschwellige Angebote etabliert werden, die den Menschen die Chance auf Ruhe geben und man dann mit ihnen die Situation anschauen kann. Brauchen sie eine Wohnung? Begleitetes Wohnen? Oder wie können die finanziellen Probleme geregelt werden? Das geht von der Strasse aus nicht. «Von daher finde ich Housing First ein gutes Projekt. Das ist eine echte Chance für die die Betroffenen. Sie können zur Ruhe kommen und dann ihre Probleme gezielt angehen», führt Katharina weiter aus.

Zudem würde Katharina auch schlankere Prozesse begrüssen, damit Hilfe schneller ankommen könnte: «Weniger Bürokratie, so dass auch Sozialbehörden schneller handeln könnten. Natürlich muss jede Situation genau abgeklärt werden. Wenn sich aber eine Abklärung über ein Jahr hinzieht – was zudem für die Betroffenen auch demütigend ist – dann kommt die Hilfe für einige zu spät. Und es braucht dringend bezahlbaren Wohnraum. So dass Menschen eine Chance haben.»

«Gemeinde und Gemeinschaft ist eine Leidenschaft für mich. Ich liebe es verschiedenen Menschen auf unterschiedliche Art und Weise zu dienen, sodass sie vorwärtsgehen können im Leben. Freisetzung erleben und in ihre Berufung finden. Jesus Christus ist dabei mein Vorbild.»

Katharina Schaufelberger
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