Teil 1 und Teil 2 des Gesprächs
Heilsarmee: Wie ist die Idee zum „Gemeinschaftswärk“ entstanden?
Irene Widmer-Huber: Zum einen ist es so, dass wir nun bereits jahrelang im Thema Einsamkeit unterwegs sind. Dabei haben wir bemerkt, das einem einige Menschen in einer Community so wie «vom Radar fallen» können. Weil, wer einsam wird, sich verrückterweise immer mehr zurückzuziehen beginnt. Das liegt in diesem Kreislauf: Je einsamer, desto mehr Angst vor sozialen Kontakten, die umso komplizierter werden. Und: je einsamer, desto «ungeniessbarer» wird man. Irgendwann verschwindet man von der Bildfläche und taucht später wieder auf beim Arzt, weil man krank wurde. Wir gehen davon aus, dass wir hier im Gesundheitsbereich eine riesige Baustelle haben und überlegten uns: Was machen wir dagegen?
Uns begegnen diese einsamen Menschen in unserer Gemeinschaft, aber das sind letztendlich nur jene, die es noch schaffen, sich aufzuraffen und zu fragen, ob sie bei uns an den Tisch kommen dürfen. Ganz viele andere schaffen dies nicht mehr.
Daher gingen wir auf die Suche nach Modellen, um diese Übrigen zu erreichen. Wir stiessen dabei auf das südenglische Städtchen Frome, welches in diese Richtung zu forschen und arbeiten begann: Wie erreichen wir mit «caring communities», also netzwerkmässig wieder die Menschen im Städtchen?
Die Arbeit ist ja noch im Entwurfsstadium. Was erhofft ihr euch mit einer allfälligen Publikation? Wen wollt ihr damit erreichen?
Der Plan ist, über die Grenzen von Riehen hinweg ein Netzwerk zu bekommen, indem möglichst alle Personen, die an Community Work beteiligt sind, so vernetzt zusammenarbeiten, dass ein einsamer Mensch wieder Anschluss findet oder zumindest besucht wird.
Das erste Standbein sind dabei alle im Dorf Riehen, die bereits daran arbeiten: Besuchsdienste, Turnverein, Frauenverein, Kirchgemeinden, alles mögliche. Doch die wissen zum Teil nicht voneinander. Der einsame Mensch, der zuhause verkümmert, schafft es nicht, zu all diesen Angeboten zu gehen, weil er auch nichts davon weiss oder nicht weiss, wie. Erstes Ziel ist nun die digitale Vernetzung all dieser Anbieter auf einer interaktiven, nach Stichworten durchsuchbaren Webseite.
Der zweite Ansatz ist, ein Bewusstsein zu schaffen, dass gut funktionierende Dörfer ein Netzwerk und Beziehungen brauchen. Dazu möchten wir auch einige Menschen in kurzen Schulungen zu «Gemeinschaftswerkern» – wie wir sie nennen – auszubilden. Diese haben den vereinsamenden Nachbarn auf dem Radar. Sie führen Gespräche zum Beispiel an der Kasse beim Lädeli und geben ihre Visitenkarte weiter mit dem Hinweis auf das «Gemeinschaftswärch». Dieses hat auch einen aufsuchenden Besuchsdienst, welcher Menschen, die hängen bleiben, besucht – und zwar so lange und mit beliebig viel Zeit, bis es der Person spürbar besser geht. Nicht wie die Spitex, die in vielen Fällen einen Leistungskatalog abspult. Wir haben so viele Ressourcen in einem Dorf!
Gino Brenni
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