«Welchen Sinn hat das Leben, wenn man nicht für das einsteht, woran man glaubt?» Thomas Thümena

Welchen Bezug haben Sie zur Heilsarmee?

Eigentlich hatte ich keinen Bezug zur Heilsarmee. In der Adventszeit sah ich sie jeweils an der Bahnhofstrasse in Zürich beim Singen. Manchmal bekam ich das Spendermagazin per Post und ich erinnerte mich an das Diktum meiner Mutter: «Die Heilsarmee – das sind die Einzigen, denen ich was spende!»

Wie kamen Sie auf die Idee mit dem Film über die Heilsarmee?

Ich bin manchmal selbst knapp bei Kasse. Und ich fragte mich, ob das der Grund ist, weshalb ich so unwirsch reagiere, wenn mich ein Bedürftiger im Bus um «Münz» anbaggert. Woher diese Verbitterung? Wie kommt es, dass die Not meiner Mitmenschen für mich eine Art Zumutung geworden ist? Ich schämte mich. Für mich ein guter Grund, um bei der Heilsarmee anzuklopfen.

Was waren die grössten Herausforderungen bei der Produktion?

Die Finanzierung der Produktionskosten zusammenzukriegen. Und damit verbunden die Tatsache, dass ich Geld für einen Film bekomme, der für sich in Anspruch nimmt, die Geschichten von Menschen zu erzählen, die kein, oder jedenfalls wenig Geld haben. Um ihnen eine Stimme zu geben. Das war ein Spagat.

Alfred Inniger im Zürcher Tram.

Ihr grösstes Highlight während den Dreharbeiten?

Einmal waren wir unterwegs im Zug mit einem 92-jährigen Mann, den ich dank meines Heilsarmee-Offiziers Alfred Inniger kennen- und schätzen gelernt habe. Plötzlich musste er dringend aufs Klo. An der Krücke suchte er im schwankenden Zug den Weg zur nächsten Toilette, aber alle waren verschlossen. In seiner grossen Not pinkelte er im Erstklasseabteil in einen Abfallbehälter. Das war mir peinlich, andererseits: Der Mann wurde in seiner Jugend als «Verdingbuäb» gequält. Es dünkte mich, wie sagt man – gerecht?

Welche Werte prägen Ihren Alltag?

«Chacun pour soi – et Dieu pour tout le monde.» Ich versuche, freundlich zu bleiben, bin bescheiden, sparsam gar; wobei das sind ja keine Werte, bestenfalls Tugenden. Ich versuche, meine Zweifel in Schach zu halten. Im Allgemeinen misstraue ich Werten und Diskussionen darüber. Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass es meistens zwei Paar Schuhe sind: Worte und Werte. Vor allem im Alltag. Aber Freundschaft ist mir wichtig – Loyalität.

 

Infos zur Person

Thomas Thümena wurde 1967 in Zürich geboren. 1988 machte er das Diplom am Center for the Media Arts in New York und studierte im Anschluss an der Universität Zürich Ethnologie, Publizistik und Filmwissenschaften. 1997 erlangte er das Regie-Diplom an der ECAL (École Cantonale d'Art de Lausanne). Seit 1999 ist er Mitinhaber der Hugofilm Zürich, die bereits über 30 Spiel-, Dokumentarfilme und Serien für den nationalen und internationalen Markt produziert hat und zu den wichtigsten Produktionshäusern der Schweiz zählt. Thomas Thümena ist sowohl Mitglied der Schweizer Filmakademie als auch der Europäischen Filmakademie.

Wie feiern Sie Weihnachten?

Seit mein Sohn gross ist, ist Weihnachten für mich eher ein Nebenschauplatz. Wenn ich dann in letzter Sekunde an der Bahnhofstrasse meine Geschenke einkaufe und wohl oder übel wie alle anderen Teil des Kauf- und Konsumrausches werde, bin ich froh, wenn mich die Heilsarmee daran erinnert, dass es beim Fest der Liebe eigentlich um etwas anderes gehen würde.

Was wollten Sie schon immer tun, sind aber noch nicht dazu gekommen?

Ich bin im Grunde genommen wunschlos glücklich – vor allem beim Joggen oder auf dem Zürisee. No FOMO (= Fear of missing out, deutsch: Angst, etwas zu verpassen). Manchmal stelle ich mir vor, ich würde in Italien am Meer leben.

Was ist Ihr nächstes Projekt?

In meinem nächsten Film – dieses Mal in der Rolle als Produzent und nicht als Regisseur – geht es um die Orang-Utans auf Sumatra. Regina Frey, eine Biologin aus Zürich, kämpft dort schon ihr ganzes Leben um deren Rettung vor dem Aussterben, sind sie doch immerhin unsere «Cousins». Teil der Biodiversität – und der Schöpfung, wenn Sie so wollen. Und warum sind sie vom Aussterben bedroht? Dreimal dürfen Sie raten. Jedenfalls sieht es ganz so aus, als sei ihre Zeit in der freien Natur gezählt. Zehn Jahre gibt man ihnen noch. Ich persönlich sehe darin eine Parallele zur Heilsarmee: Manchmal sieht es so aus, als stünde man auf verlorenem Posten – aber welchen Sinn hat das Leben, wenn man nicht für das einsteht, woran man glaubt?

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HIMMEL ÜBER ZÜRICH

Nach der erfolgreichen Premiere am Zurich Film Festival kommt HIMMEL ÜBER ZÜRICH am 30. November in die Kinos der Schweiz.

Vorpremieren

Brugg, Odeon Dienstag, 28. November, 18:00 Uhr
Luzern, Bourbaki Mittwoch, 29. November, 12:15 Uhr
Biel, Lido Donnerstag, 30. November, 18:00 Uhr
Bern, Rex 2 Donnerstag, 30. November, 20:00 Uhr
Thun, Rex Freitag, 1. Dezember, 18:00 Uhr
Winterthur, Cameo Sonntag, 3. Dezember, 14:00 Uhr
Liestal, Sputnik Montag, 4. Dezember, 18:00 Uhr
St. Gallen, Kinok Mittwoch, 6. Dezember, 18:00 Uhr

Weitere Kinos

Zürich, Kino Riffraff
Frauenfeld, Cinema Luna
Chur, Kino Apollo
Aarau, Kino Freier Film Aarau
Männedorf, Kino Wildemann

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